Himmel uber Langani
beschämenden Irrtum erzählen und versuchen, ihn mit einem Lachen abzutun. Verzweifelt starrte sie Camilla an und zuckte dann die Schultern.
»Danke für die Nachricht. Ich sollte jetzt besser meine Hausaufgaben machen.«
Der graue Mercedes fuhr durch die Tore der Klosterschule. Hannah van der Beer beobachte, wie die Spielwiesen und die blauen Eukalyptusbäume im Farbenspiel von Licht und Himmel wie ein Stillleben am Fenster vorbeizogen. Sie dachte an Sarah Mackay, die vor Publikum singen und tanzen konnte, gut zeichnete, die Laute jedes Tieres nachahmen konnte, wenn sie wollte, und mit ihren Händen wunderschöne Dinge bastelte.
Und ich bin ein großes, vorlautes afrikaanses Mädchen mit Schuhgröße 39, dachte Hannah. Ich weiß, dass alle mich hinter meinem Rücken yaapie [4] nennen. Niemand sieht mich als Italienerin, wie Ma.
Carlotta van Beer stammte aus einer italienischen Familie in Johannesburg, aber ihr Mann war Afrikaaner [5] und nannte sie immer Lottie. Hannah drehte den Kopf und betrachtete das geradlinige Profil ihrer Mutter, das dunkle, zu einem Knoten aufgesteckte Haar, die sonnengebräunten aufgerauten Finger, die das Lenkrad umfassten. Sarah Mackays Mutter war blond und hübsch. Sie trug schöne Kleider und hatte zarte Hände, denen man ansah, dass sie sicher keine Hausarbeit verrichtete.
»Wer war das?«, fragte Lottie.
»Ein Mädchen aus meiner Klasse.«
»Kommt sie von weit her?«
»Mombasa. Sie haben ein Haus an der Küste«, antwortete Hannah. Sie konnten von ihrem Garten aus direkt an einen weißen Sandstrand mit Palmen gehen. Einmal hatten die van der Beers Urlaub am Meer gemacht, und Hannah wäre am liebsten nie wieder nach Hause zurückgekehrt.
»Das ist ein weiter Weg.« Lotties Stimme klang nachdenklich. »Es muss schwer sein, wenn man so weit weg von zu Hause ist. Wäre es nicht nett, sie an einem Wochenende zum Mittagessen einzuladen?«
»Was? Du meinst, wir sollten sie auf die Farm einladen? Zum Mittagessen bei uns?« Hannah war Tagesschülerin. Eigentlich eine Außenstehende. Sarah wohnte im Internat, und ihre Eltern kamen aus England oder vielleicht aus Irland – jedenfalls aus Europa. Das war etwas ganz anderes. Die Afrikaaner hatten wenig Kontakt zu britischen Kolonialbeamten oder den englischen Farmern. Und ihr Bruder würde Sarah vielleicht hänseln oder irgendeinen Unfug treiben, wenngleich ihn ihre Imitationen von Tierlauten sicher beeindrucken würden. Allerdings hatte Sarah selbst einen Bruder, also wäre das wohl nicht so schlimm. Aber wenn die Farm in ihren Augen zu primitiv war, würde sie das allen in der Klasse erzählen, und Hannah wäre mehr denn je eine Außenseiterin. Sie seufzte. Was für eine schwierige Entscheidung!
»Na?« Lottie war erstaunt über das lange Schweigen ihrer Tochter. »Was hältst du davon?«
»Ich denke, wir könnten sie fragen. Aber ich bin nicht sicher, ob sie kommen wird.«
In den folgenden drei Wochen suchte Hannah nach einer Gelegenheit, um ihre Einladung auszusprechen. Aus irgendeinem Grund redete Sarah Mackay kaum mit ihr und schien sie sogar zu meiden. In Wahrheit hatte Hannah unter den Internatsschülerinnen keine richtige Freundin, obwohl sie schon seit zwei Jahren die Klosterschule besuchte. Diese Mädchen schienen aus einer Welt zu kommen, in der die Tochter eines afrikaansen Farmers der dritten Generation nichts zu suchen hatte. Sie stammten aus Familien, deren Wurzeln in weit entfernten Orten wie London oder Dublin lagen, oder irgendwo in den so genannten »Home Counties«. Alle waren auf Landsitzen oder in Stadthäusern aufgewachsen und würden irgendwann dorthin zurückkehren. Schließlich, an einem späten Nachmittag, entdeckte Hannah Sarah im Kunstsaal, wo sie gerade allein eine Kohlezeichnung fertig stellte.
»Das ist gut, Sarah! Ich wünschte, ich könnte so gut zeichnen.«
»Das stimmt noch nicht ganz.« Stirnrunzelnd beugte sich Sarah über das Papier. Ihre Wange war mit Kohle verschmiert, und ihre Hände fuhren ungeduldig über die Zeichnung, während sie sich mühte, die Schattierungen mit den Fingerspitzen besser herauszuarbeiten.
»Zeichnest du gern Landschaften? Ich meine, im Buschland, mit Bäumen und Tieren, wie bei uns auf der Farm.«
»Eigentlich nicht.« Sarah sah nicht einmal auf. »Zurzeit konzentriere ich mich auf Porträts, wie du siehst.«
Hannah fühlte sich vor den Kopf gestoßen. Sie würde eine andere Gelegenheit finden müssen, um ihre Einladung auszusprechen. Manchmal fragte sie sich,
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