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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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seines Körpers, den Duft einer angenehm herben Seife wahrnehmen konnte. Aus der Nähe schienen seine Augen keinen Grund zu kennen, drohten damit, sich darin verlieren zu müssen, blickte man zu tief hinein, und einmal mehr sah Helena sich gezwungen, die ihren abzuwenden.
    »Ich habe Ihnen ein faires Angebot gemacht«, sagte er leise, und sein schwach nach Tabak riechender Atem strich über ihre Wange, »und ich gebe Ihnen vierundzwanzig Stunden Zeit, sich zu entscheiden. Aber ich warne Sie: Ich bekomme in der Regel das, was ich will. Versuchen Sie nicht, mir zu trotzen – Sie lassen sich sonst auf ein Spiel ein, das Sie nicht gewinnen können.«
    Die Nähe seines Körpers verwirrte Helena noch mehr als seine Worte. Angst, Wut, Scham und etwas Namenloses, Unbekanntes zogen durch ihren Körper, und einmal mehr trat sie die Flucht nach vorne an.
    »Machen Sie, dass Sie hinauskommen!«
    Sie spürte mehr, als dass sie es sah, wie er sich von ihr entfernte, der Tür zustrebte.
    »Vierundzwanzig Stunden«, hörte sie ihn hinter ihrem Rücken sagen. »Wenn Sie schon mit dem Gedanken spielen, sich zu verkaufen, so biete ich Ihnen gewiss den besten Preis.«
    Helena packte eine der Tassen und schleuderte sie in die Richtung, aus der sie Nevilles Stimme zuletzt vernommen hatte. Klirrend prallte sie an den Türrahmen und explodierte in nach allen Seiten auseinander stiebende Scherben. In Bächen floss der erkaltete Tee hinab, tropfte auf den Boden und hinterließ feine Tupfen wie von Tränen.
    Von Neville keine Spur.
    Gedankenvoll schlenderte zwei Tage später Sir Henry Claydon, vierschrötig und rotgesichtig, durch die weitläufigen Korridore von Oakesley Manor. Anfang des vorangegangenen Jahrhunderts aus dem gleichen Granitgestein Cornwalls erbaut wie die Cottages seiner Pächter, ließ es jedoch in der prächtigen, säulenumstandenen Bauart keinen Zweifel an Rang und Vermögen seiner Besitzer.
    Beschwingte Klaviermusik perlte wie Champagner durch die Gänge; Lachen und rasch hin- und hergeworfene Bemerkungen zwischen einer jungen Dame und einem Herrn, so harmonisch, als hätte Chopin selbst sie zwischen den Notenzeichen eingefügt, ließen die noblen Mauern des Hauses vor Sorglosigkeit vibrieren.
    Die Ernte dieses Jahres war wieder schlecht ausgefallen, und seine Pächter begannen zu murren, dass er als ihr Grundherr zu wenig in die Geräte investierte und die Erträge deshalb so gering blieben; ein oder zwei von ihnen würden zum bevorstehenden Ende des Wirtschaftsjahres aufgeben und entweder nach Süden ziehen, in eine der wenigen noch ertragreichen Zinnminen, oder in die Großstadt, um in den lärmenden Fabriken, die den Himmel darüber verrußten, ihr Glück und vor allem die Möglichkeit für ihren Lebensunterhalt zu suchen.
    Nachdenklich betrachtete Sir Henry den dicken Teppich unter seinen handgefertigten Schuhen, die grün gemusterten Tapeten, geziert von Jagdszenen und Landschaften in Öl, die seinen Weg säumten. Leuchter aus fleckenlos poliertem Silber und das glänzende Holz von Kommoden und Ziertischchen unterstrichen die gediegene Atmosphäre des Herrenhauses. Eine Kulisse für längst entschwundenen Reichtum. Wohin war all das Geld geflossen? Er wusste es nicht.
    Unwillkürlich lenkte er seine Schritte in die Richtung, aus der die Musik und die Stimmen kamen, doch er war nicht der Erste, der sich davon angezogen gefühlt hatte. Einer der Türflügel stand offen; im Schatten des anderen sah er die für die neue Mode der eng anliegenden Kleider wie geschaffene Gestalt seiner Frau stehen, wie sie andächtig lauschte, damit ihr nicht das kleinste Wortfetzchen, nicht die geringste Emotion in einer der beiden Stimmen entging.
    »Sophia«, zischte er so leise, dass es kaum zu hören war, ungehalten darüber, dass er seine Gattin bei der gleichen Indiskretion ertappte, die zu begehen er ebenfalls geneigt gewesen war.
    Lady Sophia war nie wirklich eine Schönheit gewesen, dazu glich ihr Profil zu sehr dem eines Raubvogels. Doch in ihren Augen brannte von jeher ein Feuer, das, obwohl als undamenhaft kritisiert, die Männer für sie einnahm und von einer unbändigen Energie sprach. Und das Beste von ihr schien sie an ihre beiden Kinder vererbt zu haben – ihre Schlankheit, die hellgrauen Augen, das üppige schwarze Haar mit dem bläulichen Schimmer, den porzellangleichen Teint.
    Eben mit dieser Energie hatte sie es verstanden, den gestandenen Oberst Henry Claydon, elf Jahre älter als sie selbst, für sich zu gewinnen,

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