Himmel über Darjeeling
gefällt?«
Yasmina war begeistert, scheuchte sogleich eine Hand voll Mädchen herbei, die geschäftig hin- und hereilten, Badewasser einließen, Öle und Essenzen vermischten, mit kleinen Schüsselchen voll zerstampfter Kräuter wieder aus der Küche heraufkamen. An Helena wurde gerieben und getupft, gekämmt und gezupft, den halben Tag lang, und widerstrebend musste sie zugeben, dass sie es genoss. Schließlich griff Yasmina zu einem orangeroten choli und einer passenden Bahn Seidenstoff, an den Rändern rot und golden bestickt, und wickelte Helena darin ein. Aus einer Schublade des Frisiertischs kramte sie ein Kistchen hervor, aus Rosenholz geschnitzt, und Helena rang nach Luft, als Yasmina es öffnete. Auf der samtenen Auslage lag ein kunterbuntes Durcheinander von Ketten, Ringen und Armreifen, in Gold und Silber, zum Teil mit blitzenden Steinen besetzt, türkisfarben, hellblau, rot, grün, dunkelblau, glasklar. »Woher kommt das alles?«
Yasmina sah sie verwundert an. »Von huzoor natürlich!« Als sie Helenas erstaunten Blick sah, setzte sie eilig hinzu. »Sicher wollte er Sie überraschen, Memsahib!«
Helena entschied sich für ein einfaches Collier mit goldgefassten Rubinen, eine Anzahl goldener Armreifen und eine feine Kette mit Glöckchen für ihren Knöchel. Yasmina nahm sie bei den Schultern und schob sie vor den hohen Spiegel. Inzwischen dämmerte es, und die Lampen verbreiteten ihren goldenen Schein im Raum.
Helena erkannte sich selbst kaum wieder, und sie merkte nicht, wie Yasmina mit einem zufriedenen Lächeln aus dem Zimmer schlich. Ihre Haut schimmerte samtig, ihre Augen leuchteten, und ihr Haar fiel in glänzenden Locken über die Schultern. Obwohl sie noch immer schlank war, saß das choli eng, betonte wie die gewickelte Bahn des Sari die Rundungen ihres Körpers, die ihr so neu waren. Fremd sah sie aus, schön und verführerisch, und sie konnte es kaum erwarten, dass Ian sie so sah. Ewig betrachtete sie sich im Spiegel, von nah, von fern, von allen Seiten, rundherum, konnte sich nicht satt sehen an ihrem Spiegelbild. Aufgeregt ging sie durch den Raum, kehrte immer wieder zum Spiegel zurück, strich über die glatte Seide, erfreute sich an dem Gefühl auf ihrer Haut, fühlte sich weich und sinnlich und weiblich.
Doch die Zeit verstrich, und mit jeder Stunde, die sie wartete, sank ihre gute Stimmung. Die Nacht brach herein, und im Haus wurde es still, und noch immer war Ian nicht zurückgekehrt. Mutlos saß sie auf dem Hocker, stand auf, ging ein paar Schritte, ließ sich auf dem Bett nieder.
Endlich, mitten in der Nacht, hörte sie Ians Schritte schwer die Treppe heraufkommen. Hastig rannte sie zur Tür, fuhr sich noch einmal durch das Haar und trat auf den Flur hinaus.
»Ian?«
Obwohl er kerzengerade vor ihr stand, sah sie, dass er getrunken hatte – viel getrunken. Und sie roch es, selbst auf die Entfernung von ein paar Schritten. Sein Hemd war offen, sein Haar unordentlich, die Stiefel staubbedeckt; den Rock hatte er sich lässig über die Schulter gehängt.
»Wo warst du?«, fragte sie zaghaft. »Ich habe den ganzen Tag auf dich gewartet.«
Er sah sie nur an, aber Helena war sich nicht sicher, ob er überhaupt bemerkte, was sie trug, was sich an ihr verändert hatte. Sie bemühte sich um ein Lächeln, doch ihre Mundwinkel verkrampften sich, als er beharrlich schwieg.
»Wo schon«, antwortete er endlich rau. »Ein paar Bastarde zeugen!«
Helena zuckte zusammen, als die Tür zu seinem Schlafzimmer krachend hinter ihm ins Schloss fiel, und langsam, mit gesenktem Kopf, zog sie sich in ihr Zimmer zurück. Dicke, zornige Tränen rannen aus ihren Augen, als sie an der Seide riss, sich mit heftigen Bewegungen daraus befreite und zitternd in ihr Nachthemd schlüpfte, und als sie sich unter ihrer leichten Decke verkroch, fühlte sie sich klein und hässlich und unendlich gedemütigt.
Sie hatte kaum ein paar Stunden geschlafen, als Stimmen und hastige, polternde Schritte sie weckten. Benommen lag sie ein paar Herzschläge da, ehe sie aus dem Bett kroch und vorsichtig die Tür öffnete. Eines der Mädchen huschte gerade mit verschlafenen Augen vorbei.
» Kyaa húaa , was ist passiert?«, fragte Helena sie mit einem Flüstern.
Das Mädchen zögerte einen Augenblick, setzte zu einer Handbewegung an, als wollte sie bedeuten, Memsahib sollte sich wieder schlafen legen, doch dann besann sie sich anders, warf Helena einen Wortschwall entgegen, dem diese nur wenige Worte entnehmen konnte: huzoor
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