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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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nur gelacht und gesagt, weil es keine gäbe, die ihn aushielte, und keine, von der er nicht schnell wieder genug hätte.
    Aber als dann das Telegramm «, sie benutzte das englische Wort dafür, »kam, in dem er Anweisungen erteilte, wie dieses Zimmer hier herzurichten sei – da wusste ich, er hatte seine Memsahib gefunden.«
    Shushila zog die in der Bürste hängen gebliebenen losen Haare heraus und ließ sie achtsam in den Papierkorb fallen. »Und als ich in Bombay auf Ihre Ankunft wartete und Sie sah, da wusste ich, er hatte gut gewählt, und auch, dass er keine Nacht mehr mit mir verbringen würde. So war es dann auch.« Sie legte Kamm und Bürste auf die Tischplatte. »Soll ich Ihnen beim Umkleiden helfen?«, fragte sie so selbstverständlich, als hätte sie nicht eben so viele intime Dinge von sich preisgegeben.
    Helena schüttelte den Kopf. Shushila verneigte sich kurz und ging zur Tür, ehe sie sich noch einmal umdrehte.
    » Huzoor war immer sehr darauf bedacht, kein – kein Kind der Lust zu zeugen. Obwohl ich mir oft wünschte, ich hätte empfangen.« Sie hatte die Tür schon geöffnet, als Helena ihren Namen rief.
    »Shushila!« Die beiden Frauen sahen sich an, und das Einzige, was Helena herausbrachte, war » Shukriya – danke«.
    Die Inderin legte die Handflächen aneinander und verneigte sich, ehe sie die Tür hinter sich schloss.
    Müde betrachtete Helena ihr Spiegelbild. Ihr Gesicht war verquollen von den Tränen, die Augen gerötet. Das Schicksal Shushilas hatte sie berührt, und sie schämte sich ihrer Eifersucht, dafür, dass sie in ihr eine Rivalin gesehen hatte. Letztlich hätte es umgekehrt sein müssen, denn sie, Helena, hatte Shushila aus Ians Nächten vertrieben, und doch schien Shushila ihr deshalb nicht zu grollen, schien diese Tatsache klaglos akzeptiert zu haben. Natürlich hatte Helena geahnt, dass Ian kein unbeschriebenes Blatt war, dass es Frauen vor ihr gegeben haben musste – und dennoch neidete sie jeder von ihnen, gesichts- und namenlos wie sie waren, jede einzelne Minute, die Ian sie angesehen, sie liebkost hatte. Und dennoch hatte er ausgerechnet sie geheiratet, sie, das reizlose, widerspenstige Mädchen, das ihm so gar nichts zu bieten hatte, mit dem er sich nicht schmücken konnte, er, der so gut aussah, vermögend und weltgewandt war. Weshalb nur?
    Ihr Blick rutschte tiefer, auf den viereckigen, mit grüner Spitze eingefassten Ausschnitt des Kleides, der gerade noch ihren üppiger gewordenen Busen fassen konnte. Sie stand auf und betrachtete sich im großen Spiegel, drehte sich hin und her, stützte die Hände in die Taille, wandte sich um und betrachtete sich über die Schulter hinweg von hinten. Noch nie hatte sie ihrem Spiegelbild so viel Aufmerksamkeit geschenkt. Sie trat näher an den Spiegel, strich sich die Haare aus dem Gesicht, drehte sie über der Schulter zu einem festen Strang zusammen, türmte sie auf dem Kopf auf.
    War sie hübsch? Sie wusste es nicht. Ob sie Ian gefiel? Auch das wusste sie nicht. Alastair Claydon hatte einmal gesagt, sie hätte Haare wie ein reifes Kornfeld im Abendlicht und Augen wie das Meer an einem schönen Sommertag, und sie hatte ihn ausgelacht, weil seine Worte in ihren Ohren so albern geklungen hatten. Ob sie vielleicht in ihrer Essenz doch wahr gewesen waren? Sie betrachtete prüfend ihr Gesicht, immer genauer, bis sie mit der Nase an das kalte Glas stieß. Erschrocken über ihre Eitelkeit wandte sie sich hastig von ihrem Spiegelbild ab, ließ ihre Blicke durch den Raum schweifen. War es die Wahrheit, was Shushila erzählt hatte, dass Ian ihn eigens für sie so hatte einrichten lassen? Nur für sie? Nachdenklich kaute Helena auf ihrer Unterlippe, und sie verspürte den Anflug eines schlechten Gewissens, dass sie geglaubt hatte, das Zimmer spiegelte den Geschmack einer anderen Frau wider. Und dennoch konnte sie sich nicht darüber freuen … Erneut musterte sie ihre Reflektion im Spiegel.
    Warum hatte Ian sie geheiratet? Warum nicht Amelia Claydon, die doch so viel hübscher war? Warum nicht sonst eine Lady der Gesellschaft von London, von Kalkutta? Ob sie ihm vielleicht doch ein kleines bisschen gefiel? Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, hübsch zu sein, und der Angst, eine eingebildete, herausgeputzte Pute zu sein wie Amelia Claydon, verbrachte sie geraume Zeit, ehe sie Yasmina rief.
    Verlegen rang sie nach Worten, ehe sie hervorbrachte: »Ich würde mich gern hübsch machen – für – für huzoor . Weißt du, was ihm

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