Himmel über dem Kilimandscharo
und einem Weißen im hellen Tropenanzug. Der Mann blickte sich suchend um, entdeckte die drei Europäer unter einer Palme und nahm dann den Tropenhelm ab.
Charlotte stockte der Atem, als sie ihn erkannte. Er winkte ihr mit dem Tropenhelm zu, dann mühte er sich, zwischen den kreuz und quer lagernden Menschen hindurch einen Weg zu ihr zu finden.
» Christian Ohlsen«, sagte er und reichte ihren beiden verblüfften Weggenossen die Hand. » Ich habe vor, mich der Karawane anzuschließen. Natürlich nur, wenn Sie nichts dagegen einzuwenden haben, meine Herren.«
Brütend heiß lag die Mittagssonne auf der Flusslandschaft. Je weiter sie sich von der Küste entfernten, desto seltener fanden sich die schlanken Kokospalmen, die von arabischen Plantagenbesitzern angepflanzt wurden. Der Pfad wurde nun von niedrigen Büschen und einzeln stehenden Akazien gesäumt, die nur wenig Schutz gegen die heiße Sonne boten. Dafür war der Blick frei auf die grünenden Hügel, die sich rechts und links des Flusses erhoben. Jetzt, nach der Regenzeit, gediehen dort Gras und Buschwerk, so dass sie ein fruchtbares, liebliches Bild boten, in wenigen Wochen jedoch, wenn das Wasser verdunstet war, würden sie eine gelbbraune Farbe angenommen haben. Am Horizont konnte man im Dunst die bläulichen Gipfel des Usambara-Gebirges erkennen.
Die begeisterte Aufbruchsstimmung war längst verflogen. Zwar hatten Trommeln und Hörner zum Ende der Rast wieder ihren Einsatz gehabt, und auch die Gesänge tönten noch eine Weile fort, nachdem man jedoch den Ort Lewa– ein kleines Dörfchen mit nur wenigen braunen Lehmhütten– hinter sich gelassen hatte, war es still in der Reihe der Träger und Krieger geworden. Die Karawane zog sich weit auseinander, man hörte die Araber fluchen, die Krieger in der Vorhut machten finstere Mienen, und selbst die Gespräche unter den Weißen verebbten.
Charlotte hatte sowieso nicht daran teilgenommen. Stumm ging sie den drei Männern voran, wütend darüber, dass Christian sie ohne vorherige Ankündigung vor die vollendete Tatsache gestellt hatte. Sie hatte ihn nicht um seine Begleitung gebeten, ja, sie hatte ihn nicht einmal von ihrem Vorhaben in Kenntnis gesetzt– wie konnte er die Stirn haben, sich einfach der Karawane anzuschließen? Es war doppelt hinterhältig, denn natürlich hatte sie vor Dobner und Dr. Meyerwald keine Szene machen wollen. Dass sie ihren Ehemann nicht gerade freudig begrüßt hatte, würden die beiden allerdings bemerkt haben.
Wie stellte er sich das überhaupt vor? Soweit sie sehen konnte, bestand sein gesamtes Gepäck aus einem Bündel, das er über dem Rücken trug. Eine Bastmatte ragte daraus hervor, außerdem der Lauf eines kurzen Gewehrs, das er sich wer weiß woher besorgt hatte. Er besaß kein Zelt, keine Lebensmittel, nicht einmal ein Feldbett.
Der Pfad hatte sich wieder dem Fluss angenähert, dessen Fluten jetzt nicht mehr blau, sondern schmutzig braun erschienen. An einigen Stellen bildete das Ufer hohe, von Mangroven überwucherte Böschungen, dann wieder blickte man in flache Buchten. Dort wuchs Gras um dunkles Gestein; abgestorbene Stämme und totes Geäst, das der Fluss angespült hatte, bleichten in der Sonne.
» Da sind die Burschen ja– schade, dass wir keine Zeit haben, ich hätte mir gern eine hübsche Trophäe geschossen.«
Charlotte sah genauer hin und entdeckte zwischen den Schwemmhölzern den grauen Leib eines Krokodils. Es war ein mächtiges Tier, gewiss über drei Meter lang, der Rücken schrundig, das schmale Maul ein wenig geöffnet, so dass man die spitzen Zähne sehen konnte. Das, was sie für einen Ast gehalten hatte, entpuppte sich als der leicht gebogene, lange Schwanz eines weiteren Reptils. Wie versteinert lagen diese graubraunen Echsen in der Sonne– uralte Drachenwesen, die sich aus längst vergangenen Zeiten in die heutige Welt hinübergerettet hatten. Sie wusste, dass ein ausgewachsenes Krokodil mit Leichtigkeit ein Gnu oder eine Gazelle und selbst einen Menschen ins Wasser zerren und zerfleischen konnte, dennoch ärgerte sie sich über Dr. Meyerwalds prahlerische Reden. Was für eine Heldentat, mit dem Gewehr auf ein ahnungsloses, schlafendes Tier zu feuern!
» Dies hier ist eine Brutstätte der Malaria, genau wie die ganze Küstenregion«, hörte sie den Biologen schwatzen.
Dieses Mal hatte er recht. Immer noch befanden sie sich in Flussnähe, der Pfad war vom Hochwasser der Regenzeit ausgewaschen, nacktes Wurzelwerk trat zutage, dazwischen
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