Himmel über dem Kilimandscharo
fanden sich immer wieder flache, bräunliche Pfützen, über denen Myriaden durchsichtiger Mücken schwärmten. Jeder, sogar die Träger mit ihren schweren Lasten, bemühte sich, diese Wegstelle so rasch wie möglich hinter sich zu lassen.
» Oben im Usambara-Gebirge herrscht ein ausgezeichnetes Klima, das dem des europäischen Berglandes ganz ähnlich ist«, vernahm sie Christians Stimme hinter sich. » Man nennt die Gegend auch den afrikanischen Harz.«
» Dennoch sind in der Missionsstation dort oben zwei Ärzte und ein Missionar dem Fieber zum Opfer gefallen«, wandte der Maler Dobner ein.
» Das werden sie von der Küste eingeschleppt haben«, entgegnete Meyerwald, der sich immer und überall als Sachverständiger aufspielte. » Die Luft dort oben ist auf jeden Fall so gesund, das man ein Höhensanatorium einrichten will, und der Kaffee soll ganz prächtig gedeihen. Die Versuchsstation der Ostafrikanischen Gesellschaft…«
Christians Geplauder mit den beiden Reisegenossen erbitterte sie. Er wusste ganz genau, dass sie ihn nicht in ihrer Nähe haben wollte, doch vor den beiden Männern tat er, als sei alles in bester Ordnung. Jetzt begriff sie auch, weshalb Klara bei ihrem Abschied so gefasst gewesen war– sie hatte von Christians Vorhaben gewusst, es vielleicht sogar gemeinsam mit ihm geplant! Und Kamal Singh? Hatte auch er Kenntnis davon gehabt? War er ihr deshalb ausgewichen?
Aber man würde ja sehen, wie lange Christian diese mühsame Reise durchstand. Er musste vollkommen verrückt geworden sein, sich einer Karawane anzuschließen– hatte er nicht in seinem Fieberwahn von schrecklichen Gestalten und angsteinflößenden Fratzen geredet? Sie hatte zumindest bisher geglaubt, er habe panische Furcht vor der afrikanischen Wildnis.
» Nein– das Geschäft gehört meiner Frau«, hörte sie ihn sagen. » Sie hat es ganz allein aufgebaut und führt es selbstständig. Ich helfe nur hin und wieder ein wenig aus…«
» Ah– wie klug von Ihnen«, witzelte der Maler Dobner. » Sie lassen Ihre Frau arbeiten und widmen sich den schönen Dingen des Lebens– ist es so?«
» Nicht ganz, lieber Herr Dobner. Ich arbeite als Lehrer in der Missionsstation von Daressalam…«
Charlotte überstieg eine breite Baumwurzel, glücklich darüber, eine Hose zu tragen, mit der sie solche Hindernisse mühelos überwinden konnte. Sie vermied es, sich umzuschauen. Christian sollte nur ja nicht glauben, sich bei ihr einschmeicheln zu können, indem er ihr nach dem Mund redete. Sein guter Wille würde ohnehin nicht lange anhalten; es brauchten nur die ersten Schwierigkeiten aufzutreten, dann würde er wieder in eine seiner düsteren Stimmungen verfallen.
Irgendwo hinten in der Karawane rief jemand » Mwame, mwame!« Unter den Trägern kam Gelächter auf, fremde Ausdrücke flogen hin und her, auch die Krieger beteiligten sich daran. Ganz offensichtlich versuchten die Träger, sich mit Witzen und scherzhaften Wortwechseln über ihre Müdigkeit hinwegzuhelfen. Die Nachricht, dass bald das Nachtlager aufgeschlagen werden sollte, belebte die Kräfte aller neu, Trommeln und Gesänge setzten ohrenbetäubend ein, die Freude über die baldige Ruhezeit war so gewaltig, als habe man schon das Ende der Reise vor sich. Entsprechend groß war die Enttäuschung, als sie an einer breiten Lichtung vorüberzogen, die ganz offensichtlich vielen Karawanen als Lagerplatz diente. Verrostete Dosen, leere Flaschen und andere Überreste lagen dort um die erloschenen Feuerstellen, Ameisen tummelten sich auf dem Boden, und über dem Gebüsch summten schwarze Fliegen. Weder die Araber noch die deutschen Mitreisenden hatten Lust, sich hier niederzulassen, also zogen sie weiter auf dem nun leicht ansteigenden Pfad und entschieden sich endlich für eine Lichtung, die zwar nicht allzu groß, dafür aber von Karawanen unberührt war.
So erschöpft die Träger auch waren– jetzt hatten es alle eilig, den Lagerplatz zu erreichen und die Last endlich von den Schultern zu bekommen. Von Ausruhen war jedoch keine Rede. Staunend beobachtete Charlotte, wie das morgendliche Chaos ganz offensichtlich aufs Neue ausbrach. Äxte wurden ausgepackt, ringsum begann ein Schlagen, Bersten, Knacken, Geäst brach herab und wurde mit unfassbarer Geschwindigkeit zu glatten Zeltstangen behauen. Frauen und Kinder zogen los, um Feuerholz zu sammeln, andere gruben mit Stöcken Vertiefungen in den Boden, aus denen sie Wasser schöpften.
» Haben wir denn gar nichts zu tun?«, wandte
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