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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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sei ohne Sorge– ich werde dich nicht berühren.«

Trotz der ungewohnten Anstrengung schlief sie schlecht in dieser Nacht. Mal erwachte sie vom Ruf eines Nachtvogels, dann wieder weckte sie eine krabbelnde Ameise, am häufigsten jedoch störte Christian ihren Schlaf. Ruhelos wälzte er sich auf seiner Bastmatte hin und her, setzte sich immer wieder auf, um etwas von dem restlichen Tee zu trinken, oder zuckte unter dem Biss eines Insekts zusammen. Ganz sicher machte auch er kaum ein Auge zu, doch sie konnte wenig Mitgefühl für ihn aufbringen. Stattdessen begann sie, über ihn nachzugrübeln und sich zu fragen, ob er sich vielleicht wirklich verändert hatte. Er hatte keinen einzigen Versuch unternommen, sich ihr zu nähern. Was bezweckte er? Wollte er sie zurückgewinnen? Sie beschützen? Oder wollte er einfach nur deutlich machen, dass er seine Frau nicht unbeaufsichtigt mit einer Karawane davonziehen ließ?
    Gegen Morgen spürte sie das seltsam hohle Gefühl, das stets einen Fieberanfall ankündigte, und erschrak. Auf keinen Fall durfte sie krank werden; jetzt, da Christian mit der Karawane reiste, schon gar nicht. Leise zündete sie die Lampe an, stand vom Feldbett auf und kramte die kleine Flasche mit dem Chinin aus ihrem Koffer hervor. Sie nahm eine geringe Dosis von dem bitteren, weißen Pulver und spülte sie mit dem Rest Tee hinunter. Es war nicht das erste Mal, dass sie Fieber bekam, aber bisher hatte das Chinin immer gut geholfen, man musste es nur regelmäßig über mehrere Tage hinweg einnehmen. Bevor sie die Lampe löschte, sah sie auf Christian hinab, der bewegungslos auf seiner Bastmatte am Boden lag. Schlief er? Der Lampenschein erreichte sein Gesicht nicht, doch sie hatte den Eindruck, dass seine Augen einen Spalt weit geöffnet waren.
    Als die Karawane gut zwei Stunden später den Lagerplatz verließ, hatten sich Charlottes Befürchtungen zerstreut, das hohle Gefühl war verschwunden. Der Weg führte nach Korogwe– ein Ort am Fuß des Usambara-Gebirges, bestehend aus etwa zwanzig Lehmhütten und einer verlassenen Missionsstation. Eine muntere Ziegenherde graste auf den Hügeln, und die Araber schickten ein paar Männer los, um Ziegenfleisch und Kochbananen gegen ein wenig Eisendraht, eine Stoffbahn und rote Glasperlen zu tauschen.
    Das Usambara-Gebirge erhob sich vor ihnen in wilder, unberührter Schönheit, die Gipfel halb im Nebel verborgen. Grünende Berghänge, Felsgestein, dichte Waldgebiete, in denen sich Wasserfälle wie weiße Fäden den Hang hinabstürzten, erschienen vor ihren staunenden Augen. Der Pfad folgte nun nicht mehr dem Pangani, sondern einem seiner Quellflüsse, dem Mkomasi, doch die Karawanenstraße führte nicht unten am Fluss entlang, sondern durch die Berge, berührte Tamaranda und zog sich weiter nach Masinde.
    Jeder Tag brachte neue Entdeckungen, Afrika erschien Charlotte wie ein blühender Garten Eden. Sie sahen die massigen Leiber der Flusspferde im braunen Wasser liegen, Adler kreisten über den Bergen, Hyänen stießen in den Nächten ihr seltsam heiseres Lachen aus, und ganz selten, doch unverkennbar, war das Brüllen eines Löwen vernehmbar. Längst hatte sie sich an die täglichen Strapazen gewöhnt, nahm das morgendliche und abendliche Zeremoniell der Afrikaner mit Heiterkeit und konnte die Ungeduld ihrer deutschen Reisebegleiter nicht begreifen. Weshalb eilen? Dieses Land war gesegnet, seine Bewohner hielten die Zeit in ihren Händen. Sie ließen die Stunden wie feinen Sand durch die Finger rieseln, berührten jede Minute, jede Sekunde mit zärtlicher Gelassenheit, nichts ging verloren, alles kehrte wieder zu ihnen zurück.
    Am fünften Tag erreichten sie den Ort Masinde, auf einem Hügel inmitten eines felsigen Bergtales gelegen und im dichten Regenwald verborgen. Hier gab es eine Station der deutschen Polizeitruppe, ein massives, weiß angestrichenes Lehmgebäude mit vier Bastionen, was die Karawanenführer sehr zu schätzen wussten, denn noch vor wenigen Jahren hatte man hier hohe Wegzölle an Semboja, den Häuptling der Shamba, zahlen müssen. Es wurde beschlossen, einen Tag Pause zu machen, denn es gab einige Fieberfälle unter den Trägern, auch hatte sich der Maler Dobner einen Dorn in den Fuß getreten, einen ungewöhnlich spitzen, großen Stachel, der durch die Schuhsohle hindurch in den Fußballen eingedrungen war.
    Charlotte verbrachte den Tag unter den schwarzen Frauen und Kindern, was Dr. Meyerwald ganz erstaunlich fand und mit teils amüsierter,

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