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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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alt er wohl sein mochte. Dreißig, vierzig? Um seine Augen zeigten sich etliche Fältchen, aber die konnten auch durch Wind, Wetter und Sonne entstanden sein. Er hatte etwas an sich, das sie anzog. Mehr als ihr lieb war.
    » Mir geht es ähnlich«, gestand sie zögernd. » Ich spiele nur noch hin und wieder…«
    Sie biss sich auf die Lippen. Hätte sie bloß geschwiegen, denn jetzt lief er zum Regal und zog ein gewaltiges Notenbuch heraus, goldene Lettern und eine aufgedruckte Harfe schmückten den schwarzen Leineneinband.
    » Vierhändig?«, fragte er voll Begeisterung. » Wollen wir das wagen? Nur ein paar Minuten, solange die anderen noch nicht eingeschlafen sind. Kommen Sie, machen Sie mir die Freude! Ich spiele unten, da habe ich es mit meinen Pranken leichter…«
    Er hatte schon zwei Stühle zurechtgestellt und beeilte sich jetzt, die Kerzenhalter auszuklappen und die Kerzen anzuzünden. Langsam trat sie näher, setzte sich auf den ihr zugewiesenen Platz und begann in den Noten zu blättern, während die beiden boys hinter ihnen den Tisch abräumten. Es war eine vollkommen verrückte Idee, zu dieser späten Stunde Klavier zu spielen, aber immerhin, ein paar Takte konnten ja nicht schaden.
    Orchesterstücke verschiedener Komponisten, vierhändig gesetzt, Händels » Halleluja«, ein Satz aus der Pastorale von Beethoven, die Ouvertüre zu Mozarts Zauberflöte …
    » Das ist hübsch«, entschied er. » Mögen Sie es auch?«
    Sie bejahte. Im Grund war es ihr gleich, was sie spielten, die Hauptsache war, dass er seinen Spaß hatte. Mit welchem Feuereifer er sich auf dem Stuhl zurechtrückte, die Noten noch ein wenig zu sich herüberzog und seine Partnerin dann erwartungsvoll von der Seite ansah! Sie nickte ihm den Einsatz zu. Beim ersten Akkord waren sie noch nicht ganz zusammen, und sie runzelte die Stirn, weil er zu laut war, dann passte er sich an, überließ sich ihrer Führung, und es klappte erstaunlich gut. Seltsam mahnend erklangen die drei einleitenden Akkorde der Ouvertüre, dann lösten sie sich in einer absteigenden Melodie auf, fanden zu einer anderen Tonart, ohne ihren düsteren Ernst einzubüßen… Es war nicht der heitere Mozart, das von den Göttern geliebte Wunderkind. Diese Musik war voller dunkler Spannung, und die schönen Melodien, die immer wieder aufleuchteten, konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in dieser Musik eine andere, viel tiefere Dimension gab.
    » Es ist, als stünde man auf einer schwankenden Brücke«, sagte Max von Roden leise, als der letzte Ton verklungen war. » Rings umher sieht man unfassbare Schönheit, gezackte Felsen, Wasserfälle, blühendes Gezweig. Doch tief unter der Brücke tobt der Strom mit tödlicher Gewalt.«
    Sie schwieg. Wie oberflächlich hatte sie ihn doch beurteilt. Der fröhliche, zupackende Bursche, dem alles zu gelingen schien, was er anfasste, er hatte eine zweite, sehr nachdenkliche Natur.
    » Es ist spät geworden«, meinte sie verlegen.
    » Schlafen Sie gut, Frau Ohlsen.«

In der Nacht erwachte sie von einem starken Schüttelfrost. Erschrocken setzte sie sich auf, zündete die Petroleumlampe an und griff nach dem Wasserkrug, den man ihr bereitgestellt hatte. Ihre Hand zitterte so, dass sie das meiste neben das Glas goss. Angst erfasste sie, denn sie hatte das Chinin leichtsinnigerweise in ihrem Reisekoffer gelassen, und der befand sich jetzt in Moshi bei der Karawane. Sollte sie einen der Diener wecken? Von Roden hatte ganz sicher Chinin im Haus. Doch sie scheute sich davor, mitten in der Nacht in einem fremden Haus herumzulaufen, und beschloss, bis zum Morgen zu warten.
    Bald darauf stieg das Fieber mit ungeahnter Heftigkeit, ihr Kopf drohte zu bersten, der ganze Körper schien in Flammen zu stehen. Scheußliche Fratzen mit runden Glotzaugen tanzten im Raum, ein Krokodil riss das Maul auf, zeigte ihr die spitzen Zahnreihen, und sie meinte, seinen stinkenden Atem riechen zu können. Stundenlang wälzte sie sich schweißgebadet in den Kissen, doch irgendwann noch vor Tagesanbruch sank das Fieber ebenso überraschend, wie es gekommen war, und sie fiel in einen bleiernen Schlaf.
    Der scheppernde Klang einer Glocke weckte sie. Das Geräusch war nicht viel angenehmer als das lästige Hahnengeschrei, schlimmer sogar, denn der Schwarze, der den Arbeitsbeginn der Pflücker einläutete, betätigte den Klöppel ohne Unterbrechung. Immerhin fühlte sie sich fieberfrei, wenngleich ein wenig schwindelig, auch die Kopfschmerzen waren nicht

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