Himmel über dem Kilimandscharo
bleiben, der Ritt bergab wird nicht ganz einfach sein…«
Widerwillig schmierte sie Honig auf den Hirsefladen und zwang sich, ein paar Bissen zu verzehren; das kalte Hühnerfleisch und die Bohnen, die sie gestern so gelobt hatte, erschienen ihr heute ekelhaft. Während sie noch kaute, vernahm sie von Rodens kräftige Stimme, die irgendwo im Haus Anweisungen erteilte, dann riss er die Tür auf und wünschte ihr einen guten Morgen.
Er trug eine fleckige Reithose aus Leder und dazu eine ausgebeulte Jacke; den braunen Hut, den er beim Eintreten abgenommen hatte, warf er achtlos auf einen freien Stuhl. Seine ganze Erscheinung atmete morgenfrische Energie, vermutlich war er schon seit Tagesanbruch auf den Beinen, hatte seine Arbeiter kontrolliert, die Maschinen geprüft, den Fortgang der Arbeiten festgelegt und tausend andere Dinge erledigt.
» Haben Sie gut geschlafen, Frau Ohlsen?«
» Viel zu lange– bitte entschuldigen Sie, dass ich nicht rechtzeitig zum Frühstück erschienen bin.«
Er lachte und behauptete, die Frage keineswegs als Vorwurf gemeint zu haben. In seinem Haus könne jeder Gast so lange schlafen, wie er wolle. Wenn sie aber jetzt gut gefrühstückt habe, dann würde er sie und ihren Mann gern zu einem kleinen Ritt durch seine Plantage einladen. Zurzeit würden die Pflanzlöcher für die Setzlinge ausgehoben, vor allem für die Sisal-Agave, aber er pflanze auch Kaffeesetzlinge nach. An einer Stelle weiter hinten auf der Plantage habe er den Bach zu einem Teich gestaut, dort könnten sie die Wasch- und Gärbassins sehen, die man bei der Kaffee-Ernte brauche. Er habe auch neue Unterkünfte aus Lehmziegeln mit Wellblechdächern für seine schwarzen Angestellten errichten lassen, seitdem blieben die Kerle endlich auf der Plantage, während sie früher alle naselang davongelaufen seien…
» Das ist sehr freundlich von Ihnen«, unterbrach Christian ihn mit höflicher Kühle. » Aber meine Frau und ich wollen noch vor Mittag zurück nach Moshi reiten. Sie müssen das verstehen. Meine Frau hat Anteile an der Finanzierung der Karawane und möchte natürlich die Verhandlungen mit den Dschagga verfolgen.«
Von Rodens enttäuschtes Gesicht ging ihr näher, als sie angenommen hatte. Es gefiel ihr nicht, dass Christian ihre angeblichen Geschäftsinteressen vorschob, um seine eigenen Wünsche durchzusetzen, denn nun musste von Roden annehmen, dieser zeitige Aufbruch sei ihre Idee gewesen. Und dabei wäre sie jetzt, da er so begeistert von seiner Plantage erzählte, sehr gern geblieben. Es hätte ihr gefallen, an seiner Seite durch Kaffeefelder und Sisalpflanzungen zu laufen, seine Pläne anzuhören, über seine Scherze zu lachen und vielleicht auch mit ihm gemeinsam zu dem weit entfernten, schnee- und eisbedeckten Gipfel hinaufzusehen…
Sie musste sich zusammenreißen, vielleicht war es ja gut, dass sie heute noch fortritten. Sie wünschte ihm von Herzen, dass seine Verlobte recht bald auf der Plantage eintraf; es war schon seltsam, dass sie nicht auf dem Postdampfer gewesen war– hoffentlich war sie nicht krank geworden.
Als sie kurze Zeit später aus dem Wohnhaus trat, blieb sie vollkommen überwältigt stehen. Wo hatte sie gestern nur ihre Augen gehabt? Diese Landschaft war von einem unfassbaren Zauber, eine Sinfonie in hellen und dunkleren Grüntönen. Die rechteckigen Pflanzungen gediehen auf den sanft geschwungenen Hügeln, gelb leuchteten die unreifen Beeren an den Kaffeesträuchern, bläulich silbern die jungen Sisal-Agaven. Weiter oben an den steileren Hängen hingen noch zarte Nebelschleier, dazwischen waren maigrüne Stauden zu erkennen, deren breite Blätter anmutig in der leichten Brise wogten.
» Da oben haben die Dschagga ihre Bananenpflanzungen«, hörte sie von Rodens Stimme. » Sie sind geschickte Gärtner und verstehen eine Menge von der Bewässerung des Bodens. Ich muss mich gut mit ihnen stellen, sonst graben sie mir nämlich das Wasser ab, diese Kerle!«
Er lachte ein wenig grimmig, doch er schien die Enttäuschung schon überwunden zu haben. Als Charlotte den Fuß in den Steigbügel setzte, fasste er sie ohne Umschweife um die Taille und hob sie hoch, so dass sie mühelos aufsitzen konnte. Sein Angebot, die Gäste bis Moshi hinunter zu begleiten, lehnte Christian mit entschiedener Höflichkeit ab. Er sehe sehr deutlich, dass von Roden bis über beide Ohren in Arbeit stecke und auf seinem Besitz dringend gebraucht werde. Ein wegekundiger Angestellter, der die Maultiere später
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