Himmel über dem Kilimandscharo
zurück auf die Plantage bringen konnte, genüge ihnen vollkommen. »Es ist schade, dass meine Verlobte noch nicht eingetroffen ist«, sagte Max von Roden, als er Charlotte die Hand zum Abschied reichte. » Sie hätten ganz sicher Gefallen aneinander gefunden.«
» Besuchen Sie uns in Daressalam, Herr von Roden– wir freuen uns.«
Er versprach, bei ihnen in der Inderstraße vorzusprechen, wenn er Johanna in Daressalam abholte. Es konnte nicht mehr lange dauern, ganz sicher hatte sie ihm längst eine Nachricht geschickt, aber die Post in der Kolonie sei eben noch ein wenig langsam…
Christian spornte sein Maultier an, und Charlottes Reittier folgte unaufgefordert, so dass ihr Gespräch ein jähes Ende fand. Als sie sich am Ende der Akazienallee ein letztes Mal nach dem Wohnhaus umsah, stand Max von Roden noch an derselben Stelle und starrte ihnen nach.
Juma, ihrem schwarzen Begleiter, schien es zu gefallen, für heute von der anstrengenden Buddelei erlöst zu sein. Während sie durch die Pflanzungen ritten, winkte er den Kameraden zu, freute sich über ihre neidischen Blicke und erwiderte laut die ihm zugerufenen Scherzworte. Er sei vor Jahren noch ein Sklave auf einer Kokosplantage bei Tanga gewesen, erzählte er, aber die Deutschen hätten seinen früheren bwana vertrieben und ihn allein an der Küste zurückgelassen. Dann sei bwana Roden gekommen und habe ihn auf seine Plantage mitgenommen, wo es viel Arbeit gab. Bwana Roden sei ein guter Herr, er habe schöne Häuser für sie gebaut und ihnen Gärten gegeben. Bwana Roden könne mächtig böse werden, aber er schlage seine Arbeiter niemals. Das täten nur die Araber und auch die Inder, die hier in der Nähe Plantagen hätten…
Christian scherte sich nicht um das Gerede, er verstand sowieso nur einen Teil davon, seine Kenntnisse in Suaheli hatten sich kaum verbessert. Charlotte dagegen wollte nicht unfreundlich erscheinen und stellte ab und an eine Zwischenfrage, obwohl es ihr schwerfiel. Nachdem sie das weiße Tor passiert und die Plantage hinter sich gelassen hatten, führte der Pfad in gewundenen Linien bergab, und sie musste die Bewegungen des Maultiers mit dem Körper ausgleichen. Es strengte sie stärker an, als sie erwartet hatte; vermutlich lag das daran, dass ihr Magen immer noch Probleme machte. Es war schade, denn jetzt, da sich die Morgennebel hoben, zeigte sich die Landschaft in ihrer ganzen Schönheit. Schroffe Felsen ragten hoch in den blauen Himmel, dazwischen lagen riesige Haine voll hellgrüner Bananenstauden, sie erblickten das weißliche Band eines Wasserfalls, und dort oben, wo der Dunst nun immer durchsichtiger wurde, reckten sich gewaltige Baumriesen im Gewirr des Regenwaldes. Immer noch war es angenehm kühl– unten in Moshi würden die Temperaturen vermutlich weitaus höher sein. Charlotte war eine Weile mit ihrem Maultier beschäftigt, das sich störrisch weigerte, um eine Kehre zu biegen, und sie fürchtete schon, absteigen zu müssen, als es plötzlich doch beschloss, den Weg fortzusetzen.
» Bibi Ohlsen! Schau hinauf! Der Berg ist heute gut gelaunt, er hat die Wolken verjagt, er will sich uns zeigen…«
Fasziniert schaute sie auf den Kilimandscharo, der mitten im Himmel zu schweben schien. Der Berg war jetzt noch klarer und größer als vorgestern, da sie sich näher an den Gipfeln befanden. Eine Schar Vögel– Raben vermutlich– hatte sich von irgendwoher erhoben und flatterte den Bananenpflanzungen entgegen, ihre kleinen, schwarzen Körper mit den gezackten Flügelenden strichen vor dem glitzernden Gipfel vorüber, und sie hörten ihre schnarrenden Rufe.
» Siehst du nun wieder deine Träume?«, fragte Christian heiter. » Ich glaube fast, mir will es heute auch gelingen.«
Eine Welle der Übelkeit überkam sie, die sie an einer Antwort hinderte. Die Schreie der Vögel gellten ihr erschreckend laut in den Ohren.
» Willst du wissen, was ich träume, Charlotte? Du wirst vielleicht den Kopf schütteln, aber ich sehe eine Plantage vor mir, und ich weiß, dass sie eines Tages uns gehören wird. Du hast recht gehabt, niemand kann ohne einen Traum leben…«
Ihr Maultier machte einen Sprung, so dass sie sich rasch an seiner Mähne festklammern musste. Dann begann das verrückte Tier zu rennen und kümmerte sich nicht um ihre verzweifelten Versuche, es zu einer langsameren Gangart zu bringen. Sie vernahm die Rufe ihres schwarzen Führers, sie müsse die Zügel anziehen, doch die waren ihr längst entglitten. Mit beiden
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