Himmel über dem Kilimandscharo
zurückgekehrt. Vielleicht brauche ich ja gar kein Chinin einzunehmen, dachte sie erleichtert. Wie es scheint, habe ich den Fieberanfall auch ohne Medikament überwunden. Sie setzte sich vorsichtig auf und wollte schon die Beine von der Couch schwingen, als sie vor Schmerzen aufstöhnte– den Muskelkater hatte sie völlig vergessen.
Im Wohnraum nebenan saß Christian allein am gedeckten Tisch und las in einer alten Zeitschrift. Erschrocken stellte sie fest, dass sie verschlafen hatte– ihr Teller war der einzige, der noch unbenutzt war.
» Was macht der Muskelkater?«, erkundigte er sich und legte die Zeitung beiseite.
» Dem geht es ausgezeichnet«, murmelte sie. » Wo sind die anderen? Meine Güte, ich habe so tief geschlafen…«
Auch Christian sah mitgenommen aus. Dazu kam, dass ihm während der Reise ein stoppeliger, dunkler Bart gewachsen war, und auch seine Haare hätten dringend geschnitten gehört. Er schien jedoch guter Stimmung zu sein.
» Du hast nicht viel verpasst. Dobner ist in aller Frühe zurück nach Moshi geflüchtet, und unser Freund Meyerwald hat sich nach dem Frühstück entschlossen, dem Ausreißer nachzureiten. Von Roden hat ihm zwei schwarze Begleiter mitgegeben, die ihm den Weg weisen und anschließend die Maultiere zurück auf die Plantage bringen.«
» Ach!«
Sie war nicht sonderlich betroffen über diese Nachricht. Im Grunde war es sehr angenehm, ohne Dr. Meyerwalds langwierige Vorträge bei Tisch zu sitzen. Als eine schwarze Angestellte eintrat, um sie mit Kaffee und frischen Maisküchlein zu bedienen, stellte sie jedoch fest, dass der Geruch der Küchlein genügte, ihr Übelkeit zu verursachen.
» Nein, danke, für mich bitte nicht.«
Sie trank ein wenig Kaffee und kaute an einem kalten Hirsefladen, der ihr ebenso wenig mundete, aber wenigstens nicht so stark nach Erdnussöl roch. Den Honigtopf, den Christian ihr hinüberschob, rührte sie nicht an.
» Ist dir nicht gut?«
» Ich bin wohl noch etwas verschlafen…«
Sie wollte auf keinen Fall, dass er sich Sorgen um sie machte. Diese blöde Magenverstimmung würde bestimmt bald verschwunden sein, normalerweise konnte sie essen, was sie wollte, ihr wurde nie schlecht. Die Kaffeetasse in der Hand, lehnte sie sich im Stuhl zurück, um den Gesängen der Plantagenarbeiter zu lauschen. Sie klangen anders als die lauten, aufmunternden Lieder der Karawanenträger, sanfter, melodischer, und manchmal meinte sie, Anklänge an deutsche Kirchenlieder zu vernehmen.
» Jeder wird in eine Liste eingetragen, dann ziehen sie mit Hacken und Spaten los«, sagte Christian leise. » Hast du gestern bemerkt, dass die Kaffeebäume voller gelber Beeren sind? Es scheint eine gute Ernte zu werden…«
» Ich dachte, er wollte nur Sisal anpflanzen?«
» Die Sisalpflanzen brauchen mehrere Jahre, bis man sie ernten kann, deshalb baut er einstweilen noch Kaffee an, wie es sein Vorgänger getan hat. Die Kokospalmen des Arabers hat er abholzen lassen…«
Charlotte zwang sich, die Tasse leer zu trinken. Gewiss, so dachte sie, sah Christian diese große Plantage mit gemischten Gefühlen. Es war sein Traum gewesen, eine solche zu besitzen, doch er war zerplatzt.
» Was hältst du davon, wenn wir heute gegen Mittag aufbrechen?«, schlug er vor.
Noch gestern hatte sie ähnliche Pläne gehegt, heute jedoch zögerte sie. Zum einen fühlte sie sich immer noch schwach, und die Aussicht, schon wieder auf ein Maultier zu steigen, war nicht gerade verlockend. Zum anderen mochte sie von Roden nicht vor den Kopf stoßen. Das gestrige Klavierspiel hatte sie einander sehr nahe gebracht; trotz all seiner Eigenarten war er doch ein liebenswerter, anziehender Mensch.
» Oder möchtest du heute Abend unbedingt mit Herrn von Roden vierhändig spielen?«
Christian sprach in heiterem Tonfall, doch sie hörte die Eifersucht deutlich heraus. Obwohl ihr Ehemann die Musik liebte, war er immer zu faul gewesen, ein Instrument zu erlernen, da musste ihm von Roden unweigerlich ein Dorn im Auge sein. Der Mann besaß Geld, eine Plantage, er spielte Klavier, hatte eine adelige Verlobte…
» Es hat mir zwar viel Freude bereitet, aber ich muss es nicht unbedingt wiederholen. Wenn du möchtest, dann reiten wir eben schon heute Mittag. Nur mein Muskelkater…«
» Der vergeht beim Reiten am allerbesten. In Moshi werden wir Aufnahme in der Station der deutschen Schutztruppe finden, dort können wir uns ein wenig ausruhen. Weshalb isst du nichts, Charlotte? Du musst bei Kräften
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