Himmel über dem Kilimandscharo
Abendhimmel glühte orangerot, so dass sich Reiter und Maultiere als dunkle Silhouetten zwischen den blühenden Akazien abzeichneten. Sie mussten ziemlich erschöpft sein, die Tiere zockelten mit gesenkten Köpfen dahin, auch der Reiter schien es nicht gerade eilig zu haben, das vielversprechende Nachtquartier zu erreichen. Charlotte richtete sich in ihrem Stuhl auf und musste tief Atem holen; ihr Herz klopfte plötzlich so stark, dass sie es im ganzen Körper spürte.
» Wenn du mich fragst, ist es einer dieser verrückten Goldsucher«, meinte Max. » Sind oft unterhaltsame Burschen.«
Der Reiter hob den Kopf und spähte zu ihnen hinüber. Jetzt, da er näher kam, wurden seine Konturen deutlicher, und Details wie ein heller Tropenhelm, eine offene Jacke und eine hellbraune Reithose wurden sichtbar. Ein blonder Vollbart verdeckte Wangen und Kinn, und doch gab es keinen Zweifel. Auch wenn sie ihn noch nie im Sattel gesehen hatte, diese lässige, scheinbar unbeholfene Haltung, die im nächsten Augenblick in höchste Anspannung umschlagen konnte, hatte sie nur ein einziges Mal an einem Mann bemerkt.
» Es ist George«, sagte Charlotte leise. » George Johanssen.«
» Was?«, rief Max aus. » Der Doktor aus London? Für den du als Backfisch so geschwärmt hast? Das ist ja großartig– da werden wir uns heute Abend ganz sicher nicht langweilen!«
Er unterließ es, die Scheidung zu erwähnen, so wie er es überhaupt seit ihrer Schwangerschaft vermied, von unangenehmen Dingen zu sprechen. Sie warteten, bis der Gast ein Stück näher geritten war, dann sprang Max auf, um ihm entgegenzugehen. Die Worte, die gewechselt wurden, konnte Charlotte nicht genau verstehen, doch sie sah, wie Max impulsiv die Hand zu dem Reiter hinaufstreckte und George die dargebotene Rechte ergriff. Gleich darauf waren die beiden von Juma, Sadalla und Schammi umringt, die sich um Maultiere und Gepäck kümmern sollten, und George stieg aus dem Sattel. Er war ein Stück größer als Max und wirkte neben ihm noch schmaler, als sie ihn in Erinnerung hatte. Als er jetzt den Hut abnahm, musste er sich das blonde Haar hinter die Ohren streichen. Einen Friseur hatte er vermutlich schon lange nicht mehr aufgesucht.
Charlotte war aufgestanden und erwartete den Gast an den Stufen zum Vorbau. Das Herzklopfen hatte sich zum Glück gelegt, und sie empfing George Johanssen mit dem Lächeln einer guten Freundin.
» Du bist noch schöner geworden, als du es in Daressalam gewesen bist«, sagte er, und erwiderte ihr Lächeln. » Lass dir zu diesem netten Burschen da neben mir gratulieren!«
» Aber nein!«, rief Max dazwischen. » Ich bin es, den Sie beglückwünschen müssen. Ich habe die wunderbarste Frau der Welt für mich erobert.«
» Das will ich gern glauben«, gab George zurück.
Seine grauen Augen ruhten mit der gewohnten Intensität auf ihr, und natürlich erkannte er ihre Schwangerschaft an der hochgezogenen Taille ihres Kleides. Mit einem raschen Lachen rettete sie sich aus der Verlegenheit.
» Ihr redet alle beide vollkommenen Blödsinn. Aber gehen wir hinein, Hamuna zeigt dir unser Gästezimmer, und dann sputest du dich ein wenig, George, das Essen ist schon aufgetragen…«
» Höre ich da den Ton deiner Großmutter in Leer heraus?«, witzelte George. » Ich glaube, du hast doch mehr von ihr, als ich zunächst angenommen hatte!«
» O ja!«, pflichtete ihm Max lachend bei. » Charlotte ist die Herrin dieses Hauses. Meiner Wenigkeit ist es gestattet, unter ihrem Dach zu wohnen und sich von ihr umsorgen zu lassen!«
Die Stimmung war allzu ausgelassen, als dass man sich hätte wohlfühlen können; Charlotte kam es vor, als steckten in Georges Bemerkungen zahlreiche Spitzen, was aber sicher nicht der Fall war. Er bemühte sich einfach nur, freundlich zu sein, und er schien Max wirklich zu mögen. Für das Abendessen hatte er einen hellen Anzug angelegt und sogar den Bart ein wenig gestutzt, so dass er nun sehr viel zivilisierter aussah. Max goss Rotwein ein, von dem er sich einen guten Vorrat angelegt hatte, und die Gespräche wurden nun sachlicher. Nur gelegentlich erlaubte sich George eine kleine Ironie, die Max zumeist gar nicht bemerkte, Charlotte aber umso mehr auffiel.
Sie sprachen über die Plantage, die Max mit großem Stolz als sein Lebenswerk darstellte; den Hinweis auf den zu erwartenden Erben verkniff er sich, um Charlotte nicht allzu sehr in Verlegenheit zu bringen. George hörte voller Interesse zu, wollte dieses und jenes
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