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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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Aufgaben des bwana Roden, den sie als eine Art Häuptling ansahen, und Max bemühte sich redlich darum, diese Rolle auszufüllen. Sie musste lächeln– gewiss hatten die Herren von Roden in Brandenburg früher ebenfalls in ihren Dörfern Gericht gehalten.
    Sie trank einen Schluck Zitronenlimonade und klappte das Buch zu. Nein, die erbauliche Literatur, die Klara ihr geschickt hatte, war nicht nach ihrem Geschmack. Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie aufstehen sollte, um nach dem Garten und den neu angelegten Blumenbeeten zu sehen, aber sie fühlte sich zu träge dazu. Lieber noch ein wenig verweilen, die Gegenwart des mächtigen Berges hinter den Wolken spüren und auf Max’ Stimme lauschen, die jetzt energisch zwischen den aufgeregten Rednern hervortrat. Manchmal regte sich das Kind in ihrem Bauch, dann fuhr sie mit der Hand an die Stelle und glaubte, das kleine Wesen für einen Augenblick zärtlich berühren zu können. Das Glück hatte seinen wärmenden Mantel über sie gebreitet, und sie verharrte still darunter, schmiegte sich in seine Falten und ahnte zugleich, dass es nicht für immer sein konnte.
    Der Tumult drüben brach ab, jetzt sprach nur noch Max, schien einen Schiedsspruch zu fällen, der mit beifälligem Gemurmel aufgenommen wurde. Charlotte hob leicht den Oberkörper an, um nachzusehen, ob sie richtig vermutet hatte. Tatsächlich– Kläger, Beklagte und Zuhörer gingen in kleinen Gruppen hinüber zu ihren Behausungen, es wurde eifrig geredet und gelacht, das sShauri war vor allem für die Zuschauer ein wundervolles Spektakel, zu dem jeder gern seine Ansicht kundtat. Alle schwarzen Angestellten nahmen den Umweg über die inzwischen üppig grünende Wiese, um nicht die Akazienallee zu kreuzen. Charlotte hatte schon öfter bemerkt, dass die schnurgerade gepflanzten Baumreihen den Eingeborenen unheimlich waren, sie mieden diesen Weg, weigerten sich, ihn zu überqueren, doch den Grund dafür hatte sie noch nicht herausgefunden. Der einzige Schwarze, der sich dort unbefangen bewegte, war Schammi. Aber der nahm sowieso jede Möglichkeit wahr, sich von den übrigen Angestellten der Plantage abzugrenzen. Er mochte jetzt zwölf oder dreizehn Jahre alt sein, war lang aufgeschossen und sehr dünn, sein schmales Gesicht mit den großen lebhaften Augen erinnerte sie manchmal an einen Springbock, den eine fremde Witterung beunruhigte. Schammi war sehr stolz darauf, jeden Morgen die Namen der zur Arbeit erschienenen Schwarzen in eine Liste eintragen zu dürfen, die am Abend wieder verlesen wurde. Die Arbeiter erhielten dann eine kleine Summe, das posho, dazu eine Marke, die sie am Ende des Monats in Geld umtauschen konnten.
    Der Bretterboden des überdachten Vorbaus knarrte unter Max’ Schritten, als er mit zufriedenem Grinsen zu ihr hinüberging.
    » So habe ich es gern, mein Schatz«, lobte er und ließ sich neben ihr nieder. » Geht es euch beiden gut?«
    » Natürlich– sieht man das nicht?«
    Er runzelte die Stirn und meinte, sie sei ein wenig blass um die Nase. Dann erklärte er zum wiederholten Mal, dass sie die Rückenlehne ihres Stuhles verstellen könne, sie sitze viel zu gerade, sein Sohn müsse sich ja ganz eingeklemmt vorkommen. Er war sehr stolz auf diesen selbst gebauten Liegestuhl, zu Anfang hatte er ständig das Rückenteil verstellt, wenn sie darauf Platz genommen hatte, um ihr zu beweisen, dass sie vier verschiedene Positionen zur Auswahl hatte. Sie ließ es sich lächelnd gefallen, manchmal benahm er sich wie ein großer Junge, aber auch das liebte sie an ihm.
    » Ich wollte sowieso noch rasch durch den Garten gehen und mich dann um die Wäsche kümmern…«
    » Nichts da«, knurrte er. » Du bist heute schon genug herumgelaufen. Gleich wird das Essen aufgetragen, und wenn du magst, spielen wir noch ein paar Stücke vierhändig vor dem Schlafengehen.«
    Sie seufzte, doch sie schwieg. Es war nahezu unmöglich, ihm klarzumachen, dass eine Schwangerschaft keine Krankheit war. Die Marktfrauen in Leer hatten in diesem Zustand ihre Waren verkauft, und die Afrikanerinnen arbeiteten hochschwanger auf ihren Feldern. Doch Max war anders erzogen. Bei ihm zu Hause wurde eine schwangere Frau umhegt und mit besonderen Speisen gefüttert, sie zeigte sich so wenig wie möglich in der Öffentlichkeit, und reiten oder ähnliche körperliche Betätigungen kamen schon gar nicht infrage. Seitdem er wusste, dass sie ein Kind trug, hatte er sie nicht mehr genommen, was ihm schwer genug fiel. In den

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