Himmel über dem Kilimandscharo
ungestüm ihr Haar und ihre Stirn, zog sie zu sich empor und umschlang sie.
» Wir werden uns einigen, mein Schatz«, murmelte er, das Gesicht an ihre Schulter gepresst. » Versuchen wir es in diesem Jahr auf deine Weise und schauen wir, was dabei herauskommt. Aber ich bitte dich, die Verhandlungen mir zu überlassen…«
» So wollen wir es halten.«
Er war berauscht vom Duft ihrer Haut, von der Aussicht, den verführerischen Körper, den er in seinen Armen hielt, entkleiden und besitzen zu können. Jenes Feuer in ihr zu entfachen, das sie dazu bringen würde, tausend verrückte Dinge zu tun, die er ihr am Anfang ihrer Ehe niemals zugetraut hatte. Ihre Zärtlichkeiten waren so überbordend, dass er hin und wieder mit einer gewissen Eifersucht an ihren ersten Mann hatte denken müssen. Hatte er ihr all diese Dinge beigebracht? Es musste wohl so gewesen sein, denn er war sich sicher, dass sie ihren Mann niemals betrogen hatte.
Ungeduldig hob er sie auf seine Arme und trug sie hinüber ins Schlafzimmer, stöhnte dann wie üblich über die vielen Haken an Kleid und Korsett, die er einen nach dem anderen vorsichtig öffnen musste, dann ergab er sich dem Rausch. Es war wie eine Erlösung, nach der nicht nur sein Körper, sondern auch seine Seele geschrien hatte. Sie gehörte ihm, gab sich ihm ohne Vorbehalte und voller Leidenschaft hin, seine Frau, seine Geliebte und eines Tages auch die Mutter seiner Kinder. Er hoffte sehr darauf, dass sie schwanger wurde; er wünschte sich einen Sohn von ihr, der seine Plantage einst weiterführen würde. Bislang jedoch schien sein Wunsch nicht in Erfüllung zu gehen, vielleicht lag es daran, dass sie einmal eine Fehlgeburt gehabt hatte.
» Irgendwann wird es schon so weit sein«, flüsterte sie schläfrig, als sie nach ihrer Versöhnung eng aneinandergeschmiegt dalagen. » An mangelndem Bemühen kann es jedenfalls nicht liegen.«
Er grunzte, was ein Lachen andeuten sollte, und zwickte sie. » Irgendwelche wichtigen Neuigkeiten aus deiner Heimat?«, fragte er, schon halb im Schlaf. Es war blödsinnig, eine solche Frage zu stellen, vermutlich war sie viel zu müde, um eine Antwort zu geben.
» Ja«, murmelte sie. » Etwas Schlimmes. Meine Cousine hat sich von ihrem Ehemann scheiden lassen.«
» Welche deiner vielen Cousinen? Ettje?«
» Nicht Ettje. Marie.«
Er konnte sich nicht recht entsinnen, wer Marie gewesen war, denn es gab noch eine Menna, die ebenfalls einen Ehemann hatte. Trotzdem verspürte er ein Unbehagen bei dieser Nachricht, das ihn bis in seine Träume hinein verfolgte.
Juni 1899
Charlotte ließ das Buch sinken und lehnte den Kopf zurück in das weiche Kissen. Es war angenehm, hier unter dem Vordach zu sitzen, die Augen zu schließen und den herb-süßen Duft der Kaffeeblüten einzuatmen. Woran erinnerte er sie nur? An Weißdorn? Schlehen? Jasmin? Vielleicht an alles zugleich, und doch war es ein ganz eigenständiges, ungemein zartes Aroma, das sich nur in warmen Nächten zu intensiver Süße verdichtete. Es war schade, dass die Kaffeeblüte bald vorüber sein würde, denn die Bäume erschienen aus der Ferne wie mit flauschigem Schnee bedeckt und erinnerten sie an ihre Kindheit. Sie dachte in letzter Zeit oft daran, und seltsamerweise stiegen Erinnerungen in ihr auf, die lange verschüttet gewesen waren. Ein Spaziergang bei Schneetreiben am Fluss entlang, die braunen Stiefel, die wegen der dicken Wollsocken so schrecklich eng waren, der taubenblaue Mantel ihrer Mutter, auf den die dicken, feuchten Schneeflocken weiße Tupfer setzten. Mama hielt Jonnys emporgestreckte Hände, damit er durch den Schnee marschieren konnte, er musste damals noch sehr klein gewesen sein…
Es lag wohl an der Schwangerschaft, dass ihr diese lang vergangenen Zeiten wieder einfielen. Sie war schon im sechsten Monat.
Von dem kleinen Platz links der Akazienallee war jetzt erzürntes Stimmengewirr zu vernehmen, und sie musste schmunzeln. Max hatte wieder einmal sShauri zu halten, eine Art Gericht, bei dem die Streitigkeiten der schwarzen Angestellten geregelt wurden. Er tat es mit viel Hingabe, hörte aufmerksam zu, wenn die Klagen und Gegenklagen vorgebracht wurden, oft entschied er auch erst, nachdem er den Fall mit ihr besprochen hatte. Es war nicht einfach, solche Zwistigkeiten unter den Eingeborenen aus der Welt zu schaffen– sie hatten ihre eigenen Gesetze im Hinterkopf, die meist wenig mit dem Rechtsempfinden eines Europäers zu tun hatten. Aber das sShauri gehörte zu den
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