Himmel ueber fremdem Land
Einzelheiten klären. Wir treffen uns morgen früh um neun hier.«
Bei dem Gedanken, wie lange er nun schon auf die Früchte seiner Arbeit warten musste, stieg in Karl schon wieder Wut auf. Mit großen Schritten verließ er den Pub.
Wenn dieser Nachbaur, wie van Campen angedeutet hatte, öfter einmal zu einer Safari verschwand, könnte es schwierig werden, ihn aufzustöbern. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich weiterhin auf sein Glück zu verlassen, das ihm hold war, seit er aus seinem biederen Umfeld hierher auf den afrikanischen Kontinent übergesiedelt war. Das Wagnis, in dem fremden Land seine drei Pflichtjahre abzuleisten, hatte sich schnell als Glücksgriff herausgestellt. Und vor einigen Wochen hatte er van Campen kennengelernt. Der Niederländer steckte in gehörigen Schwierigkeiten und hatte jemanden für seine, wie er es ausdrückte, groben Arbeiten gesucht. Einen wie ihn!
Statt nur seine lästigen Pflichtjahre abzudienen – und dabei, wie von ihm erhofft, diesen Philippe Meindorff persönlich kennenzulernen – war er nun an einer, bald schon an drei Diamantenminen beteiligt. Und dann gab es da Udako, dieses herrlich fremdartige, aufregende Mädchen … Noch ehe Karls im Zusammenhang mit Udako immer ein wenig schmutzige Fantasie mit ihm durchgehen konnte, richtete er seine Gedanken schnell auf sein momentanes Vorhaben.
Da er zwar perfekt Französisch sprach, seine Englischkenntnisse hingegen recht dünn ausfielen, gestaltete es sich für ihn mühsam, sich bis zum Kontor der Diacamp-Company durchzufragen, das er bisher vorsichtshalber noch nie betreten hatte.
Als er endlich in die richtige Querstraße einbog und die unscheinbare Bürotür in Sicht kam, eilte ein Mann in legerer heller Baumwollhose, weißem Hemd und zur Hose passender Weste über die Straße und betrat das Diacamp-Kontor mit einer Selbstverständlichkeit, als gehöre es ihm.
Karl wich unwillkürlich in den Schatten einer Hauswand zurück. Diese Gestalt, selbst wenn er sie nur von hinten gesehen hatte, kam ihm eigentümlich vertraut vor. Es handelte sich nicht um Stichmann, denn dieser war klein und rundlich. Wen aber, außer dem Buchhalter, sollte er in Walvis Bay kennen?
Karl begann nervös mit seinem Unterkiefer zu mahlen, während er im Schatten zwischen zwei Häusern darauf wartete, dass der Mann wieder auf die Straße trat, damit er sein Gesicht sehen konnte.
Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Zweimal war er nahe daran, die Straße zu überqueren, um einen Blick durch die verschmutzten Fensterscheiben zu werfen, als sich endlich die Tür öffnete.
Beim Angesicht des Mannes schoss Karl das Blut in den Kopf. Obwohl Stichmanns Besucher in Zivil auftrat und sich frisch rasiert hatte und somit der dunkle Vollbart bis auf einen schmalen Oberlippenbart verschwunden war, erkannte er in ihm sofort Leutnant Philippe Meindorff.
Karl verfolgte mit den Augen, wie sein Vorgesetzter gemächlichen Schrittes die Straße hinunterschlenderte. Erst eine Weile nachdem Meindorff aus seinem Blick entschwunden war, fühlte er sich in der Verfassung, sein Versteck zu verlassen. Der Leutnant verdächtigte die Diacamp von Anfang an, dass sie unter nicht immer ganz lauteren Arbeitsmethoden ihre Geschäfte abwickelte. Aber weshalb kam er in Zivil hierher? Hatte der Leutnant Stichmann gekauft? Bekam er von dem Bücherwurm brisante Informationen geliefert?
Wütenden Schritts überquerte Karl den Platz und riss die Tür zu dem kleinen Wohnhaus auf, in dessen Untergeschoss das Büro von Stichmann lag. Dieser war soeben dabei, sorgfältig eine Schublade zu verschließen, und wirbelte bei Karls ungestümem Eindringen erschrocken zu ihm herum.
»Was tun Sie denn hier?«, entfuhr es dem Prokuristen, doch er klang dabei eher ängstlich als herausfordernd.
Wortlos ergriff Karl den Mann im Genick und drückte ihn mit dem Gesicht voran gegen die Schubfächer. »Wer war der Typ, der gerade bei Ihnen war, Stichmann?«
»Der Herr, der soeben hinausgegangen ist?«, nuschelte sein Opfer undeutlich.
Karl nickte und lockerte den Griff so weit, dass Stichmann zumindest halbwegs normal sprechen konnte.
»Sind Sie von allen guten Geistern verlassen, Roth? Sie haben den Mann hoffentlich in Ruhe gelassen!? Es war schon schwierig genug, ihn davon zu überzeugen, dass er mit seiner Unterschrift keinen Fehler begangen hat. Er hat von den Unruhen gehört und glaubt dem Gerede über die teilweise enttäuschenden Funde nördlich von Lüderitz.«
Ruckartig
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