Himmel ueber fremdem Land
weder zu dem fröhlichen Hannes noch zu der sommerlichen Stimmung des warmen Septembertages.
»Du warst in diesem Hochzeitsstaat im Haus deines Vaters, um meine Schwester zu begrüßen? Steht der herumziehenden Zigeunerin denn diese Ehre zu?«
»Du glaubst nicht, was mich das für Nerven gekostet hat, kleine Demy. Aber Edith braucht doch ihr Brautfräulein. Also habe ich den Versuch gewagt, dich abzuholen. Die Aufregung um die Rückkehr von Tilla kam mir dabei sehr entgegen.«
»Tilla, Rika und Feddo sind also tatsächlich schon angekommen!? Ich muss schnell … was ?« Demy, der die Bedeutung von Hannes’ Worten erst jetzt aufging, starrte den jungen Mann ungläubig an.
»Spring schnell rein, dann schaffen wir es noch rechtzeitig, bevor der Beamte auf dem Standesamt Feierabend macht.«
»Hannes? Was hat das zu bedeuten?«
Der Angesprochene zeigte ihr ein so schelmisches Grinsen, wie sie es bei ihm niemals zuvor gesehen hatte. Das Leuchten seiner Augen bestätigte ihr, dass sie sich nicht verhört und sich das Weitere richtig zusammengereimt hatte: Hannes und Edith wollten heute heiraten! Vermutlich war eine heimliche Trauung geplant, denn im Hause Meindorff war man ja mit Tilla beschäftigt, deren Rückkehr gestern per Telegramm angekündigt worden war.
Der Bräutigam sprang aus dem Wagen und riss Demy ungestüm in die Arme, um sie vom Boden hochzuheben und sich gemeinsam mit ihr einmal um seine eigene Achse zu drehen.
»Ja, Demy. Edith und ich heiraten! Es hat viel Überzeugungskraft und auch eine Unsumme an Geld gekostet, um dies in aller Heimlichkeit zu arrangieren, doch heute ist es so weit. Die Liebe meines Lebens wird meine Ehefrau, bis dass der Tod uns scheidet, und du, die du einen gewaltigen Anteil an meinem und Ediths Glück hast, bist eine der Brautführerinnen. Gleichzeitig wirst du von dem schrecklichen Joch der Verlobung mit mir befreit.« Voll Überschwang küsste er sie auf beide Wangen, ehe er sie endlich losließ und für sie die Tür seines Automobils öffnete.
Da sie erst einmal ihre wild wirbelnden Gedanken und die auf sie einströmenden Gefühle sortieren musste, zögerte Demy.
»Bitte steig ein, Kleines. Wenigstens zwei Personen meiner Familie hätte ich gern an meinem großen Tag mit dabei. Dich und Philippe. Doch dieser Herumtreiber ist natürlich mal wieder nicht da. Also? Kommst du?«
»Weißt du, was du mit dieser übereilten Handlung heraufbeschwörst?«, mahnte sie, noch immer zögernd.
»Ärger, Enterbung, Verbannung?«
»Warum lässt du deinem Vater nicht etwas Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er eine Arbeiterin zur Schwiegertochter bekommt? Gib ihm die Möglichkeit, Edith kennenzulernen, und er wird feststellen, was für eine nette Person sie ist.«
»Kleine Demy! Du hast ein gutes Herz. Aber mein Vater hat mir unmissverständlich klargemacht, dass er diese Verbindung niemals gutzuheißen gedenkt; nicht in einhundert Jahren. In ihm steckt eine Erziehung, die besagt, Adel wird ausschließlich mit Adel verbunden, Macht mit Macht und Geld mit Geld, um das Imperium, die Familie zusammenzuhalten, wenn nicht sogar zu vergrößern. Gefühle spielen dabei keine Rolle.«
»Aber du bist sein Sohn. Deine Gefühle müssen ihm doch etwas bedeuten!«
»Dass er so nicht denkt, hast du doch am eigenen Leib erfahren. Lieber arrangiert er eine für ihn nutzlose Heirat zwischen dir und mir, als dass er mir die Ehe mit einer Frau einfacher Herkunft erlaubt hätte«, sagte Hannes mit bitter klingender Stimme.
»Denk doch an die möglichen Folgen für dich und Edith. Unsere Abmachung verschafft euch ausreichend Zeit, damit dein Vater seine Meinung ändern kann«.
»Mein Entschluss steht unumstößlich fest.«
»Und der von Edith?«
»Natürlich ebenfalls. Was soll diese Frage?«
Demy zog hilflos die Schultern hoch. Sie fühlte sich müde und überfordert und fragte sich, weshalb sie sich überhaupt in die Angelegenheit eines Mannes einmischte, der rund sechs Jahre älter war als sie selbst. »Was erhofft sie sich von dieser heimlichen Eheschließung?«
»Ein Leben an meiner Seite.«
»Den Reichtum, das Ansehen, den Namen Meindorff?«
»Demy!« Hannes runzelte die Stirn und ergriff sie derb an den Oberarmen. »Was soll das? Was willst du? Gönnst du mir das Glück mit Edith nicht?«
»Leiser«, zischte dieses Mal Demy. Entschuldigend lächelte sie einen vorbeischlendernden älteren Herrn an. »Ich wünsche dir und deiner Edith nur das Allerbeste. Aber hat sie eine
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