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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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inzwischen ganz dicht vor sie getreten war.
    »Aber …?«
    »Höchstwahrscheinlich war die Mutter eine der Frauen, die ihren Körper …« Er räusperte sich und vollführte eine unwillige Handbewegung. »Fast täglich findet man verlassene Kinder auf den Plätzen oder zieht sie aus der Spree. Dieses eine mehr wird wohl kaum ins Gewicht fallen!«
    »Das können Sie nicht ernst meinen, Herr Rittmeister!« Demy blitzte den Mann entsetzt an. Dieser verschränkte die Arme hinter seinem Rücken und beugte sich zu ihr hinunter, als sei sie ein kleines, unmündiges Kind. »Doch, das ist mein voller Ernst! Niemand will etwas mit so einem Kind zu tun haben! Ohnehin wäre es für das Kleine besser, du hättest es an Ort und Stelle sterben lassen.«
    Wie unter Protest schrie das Kind nur noch lauter, und Demy drückte es schützend an sich.
    »Das … das wäre grausam, Herr Rittmeister!«, flüsterte sie entsetzt.
    »Gott wäre sicher gnädig gewesen und hätte es schnell sterben lassen!«
    »Jesus sagt aber auch: Was ihr bei einem der Geringsten meiner Brüder und Schwestern unterlassen habt, das habt ihr an mir unterlassen 10 !«
    Ob sie dieses Mal den Bogen überspannt hatte? Demy beobachtete die zunehmend dunkler werdende Gesichtsfarbe des Mannes und seine geballten Fäuste. Mühsam beherrscht wandte er sich an den Butler: »Hol die Degenhardt, Sethwick. Sie wird wissen, wo es ein Säuglingsheim gibt, und dem Schreihals vorher noch den Mund stopfen. Immerhin haben wir Gäste im Haus. Diese sollten nicht zwingend miterleben müssen, wie skandalös sich die Gesellschafterin meiner Schwiegertochter aufführt.«
    Der Butler huschte eilends davon, um dem Auftrag nachzukommen, und Demy wollte schon erleichtert aufatmen, als der Patriarch sich im schneidenden Befehlston erneut an sie wandte: »Wir sprechen uns, sobald Degenhardt mit dir fertig ist und du dich wieder in einen menschenwürdigen Zustand gebracht hast.«
    Die in seinem Tonfall versteckte Aufforderung, ihn nicht zu lange warten zu lassen, hörte Demy sehr wohl. Die eigentliche Standpauke lag also noch vor ihr, natürlich abseits der Öffentlichkeit.
    Da auch sie nicht erpicht darauf war, auf einen der Gäste zu treffen, betrat sie trotz des Verbots den Seitenflügel mit den Arbeitsräumen und wartete dort auf Maria. Noch immer schrie das kleine Wesen aus Leibeskräften und ihr war bei dem Gedanken, das Kind bald schon in die Anonymität eines Säuglingsheimes geben zu müssen, kläglich schwer ums Herz.
    Die Haushälterin eilte mit schnellem Schritt herbei, warf einen prüfenden Blick auf Demy, bevor sie ihr vorsichtig das Bündel aus dem Arm nahm. Die Tatsache, dass sie keine Fragen stellte, verriet Demy, dass Charles sie bereits ins Bild gesetzt hatte.
    »Ein Junge oder ein Mädchen?«
    »Das weiß ich gar nicht, Frau Degenhardt. Es war dunkel in der Gasse, als es auf die Welt kam, und später hatte ich keine Gelegenheit mehr nachzusehen.«
    Maria schmunzelte und schälte das Neugeborene aus dem verschmutzten Mantel. »Ein Junge. Und ich werde ihm gleich seinen Nabel richten. Die Nabelschnur sieht ja aus wie abgebissen.«
    Hilflos zuckte Demy mit den Schultern, lächelte aber, als der Kleine erneut lautstark brüllte.
    »Er hat Hunger. Mal sehen, was wir dagegen tun können.« Die Frau beugte sich zu ihr herüber und flüsterte: »Fräulein van Campen, Sie haben das ganz richtig gemacht. Lassen Sie sich nichts anderes einreden. Dieser Junge verdient es zu leben.«
    Demy, die die vernichtenden Worte des Hausherrn nur zu deutlich im Ohr hatte, spürte Tränen in ihren Augen brennen. »Danke«, murmelte sie und strich dem Kind über die Wange.
    »Ich kümmere mich um den Kleinen und bringe ihn später ins Kaiserin-Auguste-Viktoria- Säuglingsheim. Möchten Sie ihm nicht einen Namen geben?«
    »Ich?«
    »Er verdankt Ihnen sein Leben, da ist es nur richtig, dass Sie ihm auch den Namen geben, den er dieses Leben lang tragen wird.«
    »Wenn Sie meinen …«
    Während das Neugeborene immer durchdringender nach Nahrung schrie und Maria das Kind zu beruhigen versuchte, wandte Demy sich nachdenklich ab.
    »Nathanael!«, entschied sie sich endlich für einen Namen, dessen Bedeutung ihr bekannt war: Gott hat gegeben.
    »Nathanael also. Eine schöne Wahl. Jetzt laufen Sie aber in ihr Zimmer. Den Herrn Rittmeister sollte man nicht warten lassen. Um Ihre verschmutzte Kleidung wird Henny sich kümmern, machen Sie sich darum keine Gedanken!«
    »Vielen Dank, Frau

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