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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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Vorhaben scheitern. Er lachte und sagte: »Ich ahne, du hast eine neue, große Liebe in der Fliegerei gefunden. Vielleicht bleibst du ihr ja ein paar Jahre lang treu.«

Kapitel 10
    Berlin, Deutsches Reich,
März 1908
    Demy taumelte gegen die Tormauer. Ihr Gesicht brannte wie Feuer und ihr langer Mantel wickelte sich unglücklich um ihre Beine. Allerdings war es nicht sie, die einen Schmerzenslaut ausstieß, sondern die an der Mauer zusammengekrümmt kauernde Person.
    Von ihrem Angreifer, der sie inzwischen losgelassen hatte, kam ein schreckliches Stöhnen, das in ein heftiges Keuchen überging. Nun wusste Demy zumindest, dass sie es mit einer Frau zu tun hatte, die offenbar schreckliche Schmerzen litt. Zwar klopfte ihr Herz noch immer rasend schnell, dennoch gelang es ihr, ihre wild dahinjagenden Gedanken in geordnete Bahnen zu lenken.
    »Was ist denn mit Ihnen?«, fragte sie mit zittriger Stimme, sorgsam darauf bedacht, der zusammengekauerten Gestalt nicht zu nahe zu kommen.
    »Kind kommt«, lautete die undeutliche Antwort, ehe das Keuchen wieder in ein Angst einflößendes Stöhnen überging.
    »Sie bekommen ein Kind? Aber doch nicht hier!« Entsetzt nahm Demy den dumpfen Geruch von Abfällen und Exkrementen wahr, der aus dem Hinterhof am Ende des Torbogens zu ihr drang.
    »Doch! Helfen!«
    »Ich kann versuchen, Hilfe zu finden«, stammelte Demy, wurde aber von einem unbarmherzigen Griff um ihr Handgelenk am Aufstehen gehindert.
    »Sie müssen mir helfen!«, schrie die Frau sie an, schnappte dann nach Luft und schien diese anzuhalten.
    »Ich?« Erneut stieg Panik in Demy auf. Unmöglich konnte sie bei einer Geburt Hilfe leisten. Gehetzt sah sie sich um, doch mehr als diffuse Schatten konnte sie nicht sehen. Niemand war da, der ihnen helfen könnte. Die Frau umklammerte auch ihr zweites Handgelenk und führte ihre Hände unter ihren Rock.
    Demy verging nahezu vor Scham und Hilflosigkeit, bis ihre Finger ausgesprochen weiche, leicht behaarte Haut spürte, die über einem winzigen Kopf gespannt war. Das Kind hatte seinen Weg auf die Welt fast schon geschafft!
    Da sie unmöglich zulassen konnte, dass dieser kleine Mensch in den kalten Schmutz der Straße fiel, behielt Demy ihre Hände dort. Nach zwei Wehen, die die Gebärende fast lautlos über sich ergehen ließ, glitt das Kind in Demys Arme.
    »Es ist da«, hauchte sie und trotz der verwirrenden Situation, in der sie sich befand, breitete sich ein Gefühl von Freude und Ehrfurcht in ihr aus.
    Die Frau ließ sich rücklings gegen die Wand fallen, zerrte ihren Rock höher und machte sich an irgendetwas zu schaffen. Ob sie eine Schere oder ein Messer bei sich trug? Durchtrennte sie damit die Nabelschnur?
    »Nehmen Sie es weg!«, flüsterte die Unbekannte. Schnell gehorchte Demy. Sie erhob sich vorsichtig mit dem Kind und trat einen Schritt zurück.
    Die Mutter presste nochmals, stand kurz darauf ebenfalls auf und lehnte mit der Schulter gegen die Tormauer, wohl um ihre Kleidung zu ordnen.
    »Haben Sie irgendetwas bei sich, worin wir ihr Kind einwickeln können?«, fragte Demy und schaute auf das Neugeborene hinunter. Dieses begann sich zu regen und stieß einen ersten, jammernden Laut aus.
    »Nein.«
    »Am besten, wir bitten in einem der Häuser um ein Stück Stoff, was denken Sie?«
    »Klar!«
    Ungeachtet des Blutes und der schmierigen Schicht auf seiner Haut drückte Demy das Kleine an sich und schlug ihren Mantel um es, damit es nicht noch mehr auskühlte. Langsam, damit die von der Geburt geschwächte Mutter mit ihr mithalten konnte, ging sie durch den Torbogen in den Innenhof. Hektische Schritte hinter ihr ließen sie herumwirbeln. Die Mutter rannte auf und davon!
    Als ob das Kind dies spürte, begann es heiser klingende Geräusche auszustoßen, die sich sehr schnell in ein herzzerreißendes Weinen verwandelten.
    »Warten Sie!«, schrie Demy, woraufhin das Neugeborene erschrocken die Arme spreizte, und lief zurück auf den Weg. Aufgebracht blickte sie sich um, doch bis auf einige spätabendliche Passanten beim Schloss war die Straße menschenleer.
    Ihre Schultern sackten nach unten. Was war nur in diese Frau gefahren? Sie konnte doch nicht einfach ihr Kind zurücklassen!
    Demy, zutiefst verwirrt über die Geschehnisse der letzten Minuten, rümpfte ihre Nase. Sie verstand die Welt nicht mehr. Was bewog eine Mutter, ohne ihr Neugeborenes wegzulaufen? Was hätte sie getan, wenn Demy nicht vorbeigekommen wäre? Bei der Vorstellung, dass dieses zarte, unschuldige

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