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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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Kopf streifte. Ihre linke Wange brannte wie Feuer. Achtlos warf sie die weiße, mit Spitze verzierte Nachtwäsche aufs Bett und trat an den mannshohen, auf zierlichen, aber eigentümlich krummen Beinen stehenden ovalen Spiegel.
    Erschrocken betrachtete sie ihr Spiegelbild. Ihre linke Gesichtshälfte wies vom Kinn über den Wangenknochen bis hinauf zu den Augenbrauen eine bunte Palette aus roten, blauen, grünen und violetten Farben auf. Dazwischen zeigten sich lang gezogene Kratzer.
    Demy tastete mit den Fingerspitzen vorsichtig über die Verfärbung. Zu ihrer Erleichterung hielt sich der Schmerz in Grenzen. Also zuckte sie in jugendlicher Gleichgültigkeit mit den Schultern, kleidete sich an und sprang durch den Flur und die Stufen hinunter bis in die Halle.
    Da sie am vergangenen Tag kaum etwas zu sich genommen hatte, verspürte sie an diesem Morgen großen Hunger. Übermütig stürmte sie in den Speisesaal, wo das Klappern eines wild auf dem Teller tanzenden Messers ein neuerliches ungebührliches Verhalten ihrerseits anmahnte, ehe derjenige, der es vor Schreck hatte fallen lassen, es wieder in die Hand bekam.
    Mit einem betretenen Blick in die ihr zugewandten Gesichter gewahrte sie erleichtert, dass der Hausherr sich nicht unter den Anwesenden befand. Bei Tisch saßen Philippe und Hannes, während zwei Angestellte und der allgegenwärtige Charles beim Buffet warteten.
    »Guten Morgen.« Aus Philippes Stimme klang deutlich seine Erheiterung über ihren stürmischen Auftritt heraus.
    Hannes hingegen runzelte die Stirn und eilte auf sie zu. »Mein Gott, was ist dir denn zugestoßen?« Besorgt ergriff er sie an den Schultern und führte sie zu einem Stuhl. Fürchtete er, sie könnte jeden Moment in Ohnmacht fallen? Aus dem Augenwinkel sah Demy, wie Charles die beiden Frauen aus dem Raum scheuchte, die neugierig ihr Gesicht begutachtenden.
    Philippe warf ihr lediglich einen kurzen Blick zu, grinste und meinte: »Und ich dachte, du seiest zumindest aus dem Alter heraus, in dem du dich mit Gleichaltrigen prügelst!«
    »Sie waren gestern ja nicht da, deshalb musste ich mir ein anderes Opfer suchen«, gab Demy bissig zurück, was Philippe zu einem amüsierten Auflachen reizte, ehe er sich wieder seinem Frühstück widmete.
    Der besorgte Hannes zog einen Stuhl herbei und setzte sich vor sie. »Geht es dir gut? Was ist geschehen?«
    »Es ist nichts weiter. Ich bin von einer Frau etwas grob gepackt worden, sodass ich unglücklich gegen eine Mauer prallte.«
    Geraume Zeit wurde sie von Hannes gemustert, ehe er sich erkundigte: » Gepackt worden? Wo hieltest du dich denn auf, dass du überfallen werden konntest?«
    Demy beugte sich zu ihm hinüber und flüsterte: »Verrate es bitte nicht deinem Vater, er ist sowieso schon äußerst aufgebracht. Ich war im Scheunenviertel bei einem Mädchen, dem ich im Park begegnet bin, und auf dem Rückweg wurde ich unter einem schmuddeligen Torbogen unfreiwillig Zeugin der Geburt eines Kindes. Die Frau ließ dann das Neugeborene einfach zurück und ergriff die Flucht.« Als sie die gerunzelte Stirn ihres Gesprächspartners sah, beeilte sie sich hinzuzufügen: »Ich war aber fast schon wieder beim Schloss. Und mir ist nichts passiert.«
    »Nichts passiert? Du siehst aus, als wärst du in die Farbtöpfe Picassos gefallen.« Philippe stellte sein exzellentes Gehör unter Beweis, dazu die Tatsache, dass er nicht gewillt war, ihr zumindest eine Spur von Mitgefühl entgegenzubringen.
    Da sie nicht wusste, wer dieser Picasso war, ignorierte Demy den lachenden Soldaten und wandte sich lieber wieder dem besorgt dreinblickenden Hannes zu.
    »Kleine, du solltest nicht allein in der Stadt unterwegs sein. Berlin ist riesig, überschwemmt von allen möglichen Kreaturen ohne Arbeit oder geordnete Verhältnisse, die revolutionäres Gedankengut in sich tragen. Viele von ihnen sind nicht sonderlich gut auf Familien wie die unsere zu sprechen. Ihr Neid auf unser Vermögen und unser Ansehen ist oftmals größer als ihr gesunder Menschenverstand.«
    »Lieselotte wollte mich ja ursprünglich zurückbegleiten, doch leider kehrte ihr Vater früher als erwartet nach Hause zurück. Und der war betrunken.«
    Hannes griff nach ihrer Hand und drückte sie leicht. »Du bist zu vertrauensselig. Niemals darfst du einfach mit Fremden mitgehen. Und schon gar nicht in Gegenden, wie in das heruntergekommene und verrufene Scheunenviertel.«
    Entrüstet entzog Demy ihm ihre Hand und sprang auf. »Na, du bist gut! Ich soll nicht

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