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Himmel über Tasmanien

Himmel über Tasmanien

Titel: Himmel über Tasmanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McKinley
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konnte sich noch genau an den Tag erinnern – selbst jetzt noch –, denn sie hatte sich davor gefürchtet. Und während die Küste näher gerückt war, hatte ihr innerer Aufruhr sich verstärkt. Sie hatte inbrünstig darum gebetet, dass die Ehe mit Algernon und die vergangenen Jahre die verbotene Liebe erstickt hätten, die sie einst verzehrt hatte, und dass sie sich als die jugendliche Vernarrtheit schlechthin erweisen würde – doch schon wenige Stunden nach dem Anlegen war sie auf die Probe gestellt worden. Und hatte festgestellt, dass sie begehrte.
Sydney, 1886
    Während die Matrosen in die Takelage stiegen, um die Segel einzuholen, musste Clarice wohl oder übel zugeben, dass ihre Erwartungen an diese lange Reise zu hoch gewesen waren. Sie hatte gehofft, die exotischen Orte, die sie besichtigten, und die sternenklaren Nächte auf hoher See könnten Leidenschaft inAlgernon entfachen und sie einander näherbringen. Algernon jedoch schien ihren Bedürfnissen gegenüber gleichgültig, ihren Wünschen gegenüber blind und fest entschlossen, eine höfliche Distanz ohne unzulässige Intimität aufrechtzuerhalten.
    Die Nachricht von Algernons Versetzung nach Australien war ein furchtbarer Schock gewesen, und obwohl es bedeutete, dass sie wieder mit ihrer älteren Schwester Eunice vereinigt würde, war ihr klar gewesen, wie gefährlich es sein würde, dem Mann von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten, den sie einst geliebt hatte. Sie hatte versucht, Algernon davon abzubringen, doch die Stelle beim Gouverneur würde seinen Ehrgeiz befriedigen, in den Adelsstand erhoben zu werden, und er hatte sich geweigert, ihrem Flehen nachzugeben.
    Sie schaute auf das glitzernde Wasser im riesigen Hafen, ohne ihn richtig zu sehen, steckte eine helle Haarsträhne hinter das Ohr und tupfte ihre Augen mit einem Spitzentaschentuch ab, um die Gefühle unter Kontrolle zu halten, die Algernon so entsetzlich fand.
    Ihre Ehe mit dem Witwer Algernon Pearson war von ihrem Vater in die Wege geleitet worden, der ihm altersmäßig näher stand als sie, und zunächst hatte sie sich geweigert, eine solche Verbindung auch nur in Erwägung zu ziehen. Doch sie war inzwischen fünfundzwanzig und galt als graue Maus, und so war ihr nichts anderes übrig geblieben. Der Mann, den sie liebte, hatte eine andere geheiratet, es gab keine weiteren Freier, und ihr Vater hatte darauf bestanden.
    Es war nicht die Liebesheirat, die Eunice eingegangen war, doch Algernon erwies sich als aufmerksamer, gebildeter Mann, und nach monatelanger Brautwerbung stimmte sie widerwillig ein, ihn zu heiraten. Ihre Hochzeitsnacht hatte sich nicht als die Qual herausgestellt, die sie erwartet hatte, denn Algernon war ein Mann mit Erfahrung und hatte beimLiebesakt erstaunliche Rücksicht und Begeisterung walten lassen.
    Das alles hatte sich im Lauf der Jahre verändert, als keine Kinder kamen. Algernon weilte nun immer länger im Auswärtigen Amt, und wenn er dann nach Hause kam, schlief er in einem anderen Zimmer. Auch strahlte er inzwischen Überdruss und Resignation aus, seine Enttäuschung über sie war beinahe greifbar.
    »Nimm deinen Sonnenschirm und zieh deine Handschuhe an. Die Sonne wird deine Haut sonst dunkel färben.«
    Clarice erschrak, als sie die Stimme ihres Mannes vernahm, und da sie ein schlechtes Gewissen wegen ihrer unfreundlichen Gedanken hatte, kam sie seiner Aufforderung rasch nach.
    Algernon stand neben ihr, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Strohhut ordentlich auf den grauen Haaren. Er betrachtete die Küste mit geringem Interesse und schien unempfindlich gegenüber der lähmenden Hitze, obwohl er über dem gestärkten Hemd und einer Wollhose noch ein Tweedjackett trug.
    »Ohne Zweifel wird ein Empfangskomitee uns begrüßen«, sagte er. »Als britischer Berater des Gouverneurs erwarte ich doch gewisse Standards – sogar hier.«
    Clarice sah, wie seine Nasenflügel sich über dem gestutzten Oberlippenbart weiteten, als wäre schon der Geruch Australiens ein Affront. Algernons Ansprüche an Manieren, Kleidung und Umgangsformen hatten ein unerreichbares Niveau – weshalb sie trotz der Hitze ein enges Korsett trug. Ihr langer Rock und die Unterröcke klebten an ihren Beinen, während ihre Hände in Baumwollhandschuhen schwitzten. Eunice hatte sie gewarnt, dass es gefährlich sei, zu viel Kleidung zu tragen. Nun spürte sie, wie der Schweiß über ihren Rücken rann, und sah Schweißperlen in ihrem Dekolleté. Sie hoffte nur, dass sienicht

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