Himmel über Tasmanien
Leidenschaften, die sie auf den Weg ins Unheil geführt hatten,und den Schmerz in ihrem Herzen um alles, was sie verloren hatte.
»Der Teufel soll dich holen, Joe Reilly, dass du die Vergangenheit wieder aufgewühlt hast«, murmelte sie. »Und ich hoffe inständig, dass es jetzt ein Ende hat.«
Lulus Nerven waren mit ihr durchgegangen, und sie hatte sich den ganzen Tag unwohl gefühlt. Als der Zeitpunkt näher rückte, an dem die Gäste in Berties Galerie in London eintreffen sollten, hatte sie sich in seinem Büro hinlegen und eine ihrer Tabletten einnehmen müssen. Ihr Herz hatte ihr bis zum Hals geschlagen, ihr den Atem geraubt und Schwindel erregt, und sie hatte schon befürchtet, dass es ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sein könnte, persönlich in Erscheinung zu treten. Es war Furcht einflößend, ihre Arbeiten einer so sachkundigen Menge zu zeigen, und diese Ausstellung war nicht nur der Höhepunkt jahrelanger Arbeit, sondern die größte, die Bertie für sie ausgerichtet hatte. Sie wagte nicht, ihn im Stich zu lassen.
Clarice war bei ihr geblieben, bis das Herzklopfen nachließ, und nach einer beruhigenden Tasse Tee gesellte Lulu sich zu Bertie, um ihre illustren Gäste zu begrüßen. Sie hatte für den Anlass ein Etuikleid aus schimmernden Blautönen gewählt, die ihre Augen hervorhoben. Ihre Haare fielen über den Rücken herab und umrahmten ihr Gesicht, gehalten durch einen blauen Seidenschal, den sie so kunstvoll um ihren Kopf geschlungen hatte, dass die Fransen zu einer Seite fielen. Das einzige Schmuckstück war ein silbernes Armband.
Die Kensington-Galerie war angefüllt mit dem Lärm zahlreicher Stimmen, Korkenknall und Gläserklirren. Der Nebel aus Zigaretten- und Zigarrenrauch war durchsetzt mit exotischen Parfümen; Kellner in Weiß glitten diskret zwischen den Gruppen hindurch, die sich zusammengefunden hatten,um über die Gemälde und Skulpturen zu diskutieren und den neuesten Stadtklatsch auszutauschen. Juwelen funkelten, Seide raschelte unter Federn und Pelzen, während die Gäste sich treiben ließen.
Lulu fühlte sich viel selbstsicherer, übersah Clarice’ missbilligenden Blick, nahm ein Glas Champagner von dem vorbeikommenden Kellner entgegen und prostete damit ihrem Gönner zu, der auf der anderen Seite des Raums mit ihrer besten Freundin Dolly Carteret plauderte.
Mit seinen zweiundvierzig Jahren machte Bertie Hathaway in dem hübsch geschneiderten Smoking eine prächtige Figur. Er war hochgewachsen, sah gut aus, war breitschultrig und hatte das sichere Auftreten, das der Wohlstand und das Wissen um seine Stellung in der Gesellschaft mit sich brachten. Er hatte sein Vermögen geerbt, seine Frau war in der Londoner Gesellschaft beliebt, und seine Verbindungen waren makellos. Clarice war mit seiner Großmutter zur Schule gegangen, und Dolly hatte dasselbe Mädchenpensionat besucht wie seine Schwester. Dolly war mit seinem jüngeren Bruder Freddy verlobt – ihre Hochzeit würde zwei der reichsten Familien Englands vereinen.
Lulu schob sich Clarice’ weißen Fuchspelz über eine Schulter, trank einen Schluck Champagner und wandte ihren kritischen Blick den Bronzestatuen zu, die auf Sockeln überall im Raum ausgestellt waren. Es war interessant, sie aus einer neuen Perspektive zu sehen, und sie war begeistert, wie gut sie in dieser weiten weißen Umgebung aussahen.
Den Frauen und Hunden, die sie geformt hatte, war in ihren länglichen, schlanken Umrissen eine gewisse mühelose Eleganz gemeinsam, und sie war begeistert, wie gut sich der Windhund machte. Ocean Child jedoch zog die meiste Aufmerksamkeit auf sich, und sie konnte auch sehen, warum – denn er sah einfach großartig aus.
Ihr Blick schweifte durch den Raum. Von Maurice war noch immer nichts zu sehen, obwohl er versprochen hatte zu kommen, und das ärgerte sie. Bertie hatte ihr widerwillig den Gefallen getan, ein paar seiner Bilder zu zeigen, daher hätte Maurice wenigstens auftauchen können.
»Gut gemacht, Lulu. Ich hab dir doch gesagt, dass es ein Erfolg wird.«
Sie drehte sich um und lächelte, als Bertie ihr Glas auffüllte. »Danke. Es ist ein herrlicher Abend, und ich bin dir für deine Schirmherrschaft so dankbar.«
Berties Lächeln reichte nicht ganz bis an seine dunklen Augen. »Eine Schande, dass Maurice nicht gekommen ist, aber das war ja nicht anders zu erwarten. Ich muss schon sagen, dass seine Kunst nicht nach meinem Geschmack ist, und ich werde Schwierigkeiten haben, sie
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