Himmel über Tasmanien
Besseres als ein hübsches Gesicht, um einen alten Kumpel wie mich aufzumuntern. Setz dich, Lorelei.« Er klopfte auf den Stuhl neben sich. »Sonst krieg ich einen steifen Hals, wenn ich zu dir hochschaue.«
Sie nahm seine etwas undeutliche Sprechweise wahr, und als sie Platz nahm, stellte sie fest, dass ein Mundwinkel leicht herabhing und seine Hand auf der Krücke zitterte. Der Schlaganfall hatte ihn offensichtlich beeinträchtigt, aber es war deutlich, dass sein Sinn für Humor und sein scharfer Verstand nicht gelitten hatten. »Du hast gesagt, dass du mir schon einmal begegnet bist, aber daran würde ich mich doch erinnern.«
»Du warst erst zwei. Ein süßes, strahlendes kleines Ding.« Unvergossene Tränen traten ihm in die Augen. »Du hast dich an meinem Bein festgehalten und mich mit deinen großen Augen angesehen. Ich war hin und weg.« Er tupfte sich die Augen ab. »Deine Fingerchen klammerten sich so fest an meine, es war, als wolltest du mich nie wieder loslassen. Dich zurückzulassen war das Härteste, was ich je durchgemacht habe.«
Seine Pein ließ Lulu eigenartig unberührt. »Warum hast du es dann getan?«
»Ich hatte eine Frau und zwei Jungs daheim. Ich konnte sie nicht verletzen.«
Wut packte sie. »Aber es hat dir nichts ausgemacht, mich zu verletzen. Und du hast nicht an deine Frau und deinen Sohn gedacht, als du mit meiner Mutter geschlafen hast.«
»Ich war jung, dumm und heißblütig«, fuhr er sie an. »Ich war nach einem Streit mit Peters Mutter von zu Hause weggegangen, und Gwen …« Er seufzte, seine Wut war verraucht. »Man konnte ihr nur schwer widerstehen, und ich hab meine Dummheit seitdem beinahe jeden Tag bereut.«
»Wegen des Schmerzes, den du verursacht hast, oder wegen Gwens Geldforderungen?«
Unter buschigen Augenbrauen funkelte er sie an. »Beides. Es war nicht leicht.«
Ihr verächtliches Grunzen hallte zwischen ihnen. »Du hättest es aus meiner Sicht sehen sollen. Ich musste ohne Vater aufwachsen, ich wusste nie, wer du warst oder warum du mich auf Gedeih und Verderb Gwen überlassen hast. Kannst du dir vorstellen, wie es ist, als unehelich gebrandmarkt zu sein?«
Seine Miene verhärtete sich, sein wütender Blick richtete sich auf Peter. »Siehst du? Deswegen wollte ich sie nicht sehen«, blaffte er. »Ich wusste, es war ein Fehler.«
»Fehler scheinen deine Stärke zu sein«, sagte Lulu ungerührt. »Aber ich musste mein Leben lang damit leben. Sie haben mich von allen anderen unterschieden, nicht nur wegen meines Akzents und meiner dummen Herzschwäche, sondern wegen meiner familiären Umstände. Ich hatte keinen Vater, hatte nicht einmal eine Mutter, und ich wurde von einer Frau großgezogen, die alt genug war, um meine Großmutter zu sein. Das ist hart, wenn man es aussprechen muss, besonders in einem privaten Mädcheninternat in England, in dem Snobismus grassiert und die Herkunft über alles geht.«
»Du bist wütend«, murmelte er, »und ich nehme es dir nicht übel.«
»Verdammt, ja, ich bin wütend.« Sie zog sich die Mütze vom Kopf und schüttelte ihre Haare.
»Tut mir leid.«
»Für Entschuldigungen ist es ein bisschen zu spät«, fauchtesie. Ihr Zorn erschreckte sie, und obwohl sie diese Begegnung nicht so geplant hatte, war ihr zumute, als hätte sich diese Wut sechsundzwanzig Jahre lang aufgestaut und wollte sich nun nicht länger unterdrücken lassen. »Der Schaden wurde angerichtet, als du vor Jahren mit Gwen geschlafen hast. Er lebt im Klatsch und den Vorurteilen hier in Tasmanien weiter und wird mich zweifellos bis ins Grab verfolgen.« Sie holte tief Luft. »Das können noch so viele Entschuldigungen nicht gutmachen.«
Er hob den Kopf, seine blauen Augen waren durchdringend. »Die Umstände deiner Geburt waren schändlich, das gebe ich zu. Und es tut mir wirklich leid. Du warst die Unschuldige, die einen hohen Preis dafür zahlen musste, was ich und deine Mutter vor all den Jahren angestellt haben. Aber ich habe dich nie vergessen und mir die größte Mühe gegeben, dich im Auge zu behalten.«
»Indem du mich von jemandem ausspionieren ließest?«
Er sah sie scharf an. »Du hast eine spitze Zunge, mein Fräulein.«
»Die kommt von bitteren Erinnerungen.« Sie griff nach ihrer Mütze und ihrer Handtasche. »Es war ein Fehler«, sagte sie zu Peter. »Würdest du mich bitte zurück ins Hotel fahren?«
»Ich dachte, du wärst aus härterem Eisen geschmiedet«, bellte Frank, als sie an der Tür waren. »Gwen wäre geblieben und hätte es
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