Himmel über Tasmanien
den Altersunterschied und die silbernen Strähnen im Haar war ihr, als blickte sie in einen Spiegel der Zukunft. »Ich bin Lulu«, flüsterte sie. »Es freut mich so, Sie kennenzulernen, denn ich bewundere …«
»Ich weiß, wer Sie sind.« Franks Schwester beäugte sie kühl. »Ihr kommt am besten rein.«
»Schon gut, Tante Sybilla. Kannst du nicht wenigstens ausnahmsweise einmal so tun, als wärst du höflich?«
»Warum sollte ich?«, entgegnete sie. »Ich rede, wie mir der Schnabel gewachsen ist. So weiß jeder, woran er ist.«
Sie hatten das Haus betreten und standen nun verlegen in der schattigen Diele. »Gib ihr eine Chance, Syb«, sagte er, »sie ist eine von uns.«
Sybilla wirkte verkniffen, und ihre Augen wurden schmal, als sie ihre Mähne nach hinten warf und Lulu ansah. »Das mag ja sein, aber sie ist Gwens Tochter. Worauf ist sie aus? Auf einen Teil der Farm oder auf eine Auszahlung?«
»Ich will nichts von euch«, entgegnete Lulu beschämtund vor Wut zitternd angesichts all dieser Anschuldigungen. »Peter hat diese Zusammenführung in die Wege geleitet, nicht ich. Und ich will ganz bestimmt kein Geld oder einen Anteil an diesem Anwesen. Ich bin nicht Gwen, und wenn Sie nicht höflich sein können, schlage ich vor, dass Sie den Mund halten.«
Erschrockenes Schweigen trat ein.
Sybillas Augenlider flatterten. »Ich glaube, das habe ich herausgefordert«, sagte sie steif. »Aber wenigstens nehmen Sie kein Blatt vor den Mund, und ich nehme an, man sollte dankbar sein, dass Sie trotz des Akzents keine nörgelnde Engländerin sind.« Sie wandte sich an Peter. »Ich bin für den Rest des Tages im Atelier.« Sie warf den Kopf in den Nacken und ging, der grelle Chiffon umwehte sie, die goldenen Sandalen klapperten auf dem Holzfußboden.
»Das tut mir leid«, sagte Peter hastig, »aber Tante Syb hat schon immer gesagt, was sie dachte, und wenn ich gewusst hätte, dass sie hier ist, hätte ich dich gewarnt. Sobald sie dich besser kennenlernt, wird sie zugänglicher sein.«
»Das wollen wir hoffen«, murmelte Lulu, »denn wenn sie sich weiter so aufführt, bleibe ich nicht hier.«
Clarice litt an einer Erkältung, die sich ihr ärgerlicherweise auf die Brust gelegt hatte. Sie war in Decken und einen Schal gehüllt, saß im Wohnzimmer am Kamin und tat sich an diesem trüben Dezembertag selbst leid.
Loreleis Briefe hatte sie oft verschlungen und kannte sie beinahe auswendig, aber sie öffnete die Schachtel, in der sie alle aufbewahrte, und machte es sich mit einem Glas Sherry bequem, um sich noch einmal an ihnen zu freuen.
Frank White war wohl ein leicht erregbarer alter Mann, verärgert darüber, dass er aufgrund seiner Krankheit nicht mit der Viehherde reiten konnte, und schnell aufgebracht, wennseinen Anweisungen nicht auf der Stelle Folge geleistet wurde. Lulu fand den Umgang mit ihm schwierig, doch nachdem die Wochen ins Land gezogen waren, hatte sie sich damit abgefunden, dass er sich nie ändern würde, und sie hatten allmählich eine enge Freundschaft geschlossen.
Peter war ein hart arbeitender, geduldiger Mann, der nicht viele Worte verlor und den Viehzuchtbetrieb nur selten verließ, nachdem sein Vater nun arbeitsunfähig war. Er war noch alleinstehend – Liebesaffären waren offenbar schwer herzustellen in diesem dünnbesiedelten Landstrich –, aber er und Dolly hatten Gefallen aneinander gefunden und kamen prächtig miteinander aus.
Lorelei hatte ganze Romane über Dolly geschrieben, denn ihre Freundin hatte sich seit ihrem Aufenthalt in Tasmanien verändert. Sie war reifer geworden, stiller und nachdenklicher, während sie sich an den Alltag auf Joes Hof gewöhnt hatte und Einblick in Loreleis Vergangenheit und ihre Folgen hatte nehmen können. Nach ihrer Ankunft in Warrego Station hatte sie sich begeistert ins Leben im Outback gestürzt, hatte Pumps und Make-up gegen Stiefel, Bluse und Reithosen eingetauscht. Sie trug einen abgelegten Buschhut von Peter, ritt mit ihm aus, um den Viehbestand zu prüfen, half beim Einbrennen der Brandzeichen und beklagte sich nicht einmal darüber, dass das Badewasser eine eigenartige grüne Farbe hatte und zuweilen tote Insekten, Blätter und sogar kleine Frösche darin schwammen.
Clarice hatte laut darüber gelacht, und jetzt lächelte sie, während sie weiterlas. Franks Schwester Sybilla war etwas aufgetaut, nachdem sie festgestellt hatte, dass Lulu sich von ihr nichts bieten ließ, und sie war eine begabte Künstlerin. Obwohl sie noch immer redete,
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