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Himmel über Tasmanien

Himmel über Tasmanien

Titel: Himmel über Tasmanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McKinley
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neben ihrem Bett und strickte. Beim Anblick des praktischen Hutes und Mantels und des säuerlichen Gesichtsausdrucks brachte sie ein schwaches Lächeln zustande. »Danke, Vera«, flüsterte sie.
    »Müssen sich nicht bei mir bedanken, Mum«, sagte sie barsch und ließ ihr Strickzeug in eine Tasche fallen. »Sie haben mich zu Tode erschreckt, als Sie da am Boden gelegen haben, das kann ich Ihnen sagen.« Sie schniefte und betrachtete das Privatzimmer mit Abscheu. »Das Zimmer hier könnte eine gründliche Reinigung gebrauchen, das steht fest.«
    Clarice hatte nicht die Kraft, zu streiten oder auch nur zu sprechen, daher ließ sie Vera weiterschimpfen. Sie hatte das Gefühl, als drücke etwas Schweres auf ihre Brust und raube ihr die Luft zum Atmen, und ihr war sehr heiß. Zum Glück wirkten die Tabletten auf den Schmerz in ihrer Hüfte, aber ihr war eigenartig zumute – so, als schwebe sie.
    »Soll ich Lulu ein Telegramm schicken?«, fragte Vera. »Ich meine nur, sie sollte wissen, was passiert ist.«
    »Nein. Das verbiete ich«, krächzte Clarice. Sie sank wieder in die Kissen, der Hustenanfall hatte sie erschöpft.
    Vera machte ein langes Gesicht. »Wenn Sie es sagen, Mum. Aber wenn Sie sterben, wird sie total wütend sein, dass ich’s ihr nicht gesagt hab.«
    Clarice schloss die Augen, und der Schlaf übermannte sie. Vera sah immer nur das Schlechte, und da Clarice nicht die Absicht hatte, jetzt schon zu sterben, wollte sie auf keinen Fall, dass Lorelei durch ihren albernen Unfall in Besorgnis versetzt wurde.
    Die Hitze flimmerte am Horizont in einer wässrigen Fata Morgana, ihre Intensität ließ die Erde summen. Der Himmel war strahlend blau, nur eine einsame Wolke stand über den nahegelegenen Bergen, und hier, im Schatten des Eukalyptusbaumes, vernahm Lulu das Zischen zahlreicher Insekten. Ihr kam es ganz und gar nicht eigenartig vor, dass bald Weihnachten war, und sie freute sich darauf, es zum ersten Mal nach allzu vielen Jahren unter der Sonne feiern zu können.
    Sie betrachtete die Zeichnung, die sie gerade fertiggestellt hatte, und stellte sie beiseite. Der Baum war ein interessantes Objekt gewesen, die Rinde schälte sich ab wie Papier und entblößte rote Spalten, die gekrümmten Äste reckten sich wie arthritische Hände fast flehend zum Himmel empor. »Es ist zu heiß«, seufzte sie, »meine Hände sind so verschwitzt, dass sie Abdrücke auf dem Papier hinterlassen. Sogar der Bleistift schmilzt.«
    »Herrlich, nicht wahr?«, seufzte Dolly. »Überleg mal, in London ist es bestimmt schon unter null.« Sie lag ausgestreckt auf der Decke, die Hände hinter dem Kopf, und starrte in den Baldachin aus Bäumen. Sie trug, ebenso wie Lulu, Stiefel, Hose und Bluse, und den geliehenen Hut hatte sie neben sich auf die Decke geworfen. »Was gäbe ich für unser Schwimmbassin zu Hause. Ich würde bis zum Hals darin sitzen und wochenlang nicht herauskommen.«
    »Du würdest entsetzlich verschrumpeln«, lachte Lulu. Sie legte sich neben Dolly und kaute an einem Sandwich. Man hatte sich ein Picknick mitgenommen, und die beiden Pferde waren in der Nähe festgebunden. »Komisch«, sagte sie, »aber beinahe fehlt mir die Unbeständigkeit des englischen Wetters.«
    »Mir auch«, murmelte Dolly. »Aber nachts wird es hier richtig kalt, was es irgendwie wieder ausgleicht.« Sie schlug ein Auge auf und sah Lulu an. »Jetzt sag mir nicht, dass du tatsächlich Heimweh nach England hast!«
    Lulu rollte sich auf die Seite und stützte ihr Kinn mit der Hand ab. »Doch, irgendwie schon«, gab sie zu, »aber Tasmanien fehlt mir noch mehr. Das hier war eine unglaubliche Erfahrung, die ich um nichts in der Welt hätte missen mögen. Aber obwohl diese Gegend hier mich inspiriert und mir etwas gegeben hat, an dem ich festhalten kann, weiß ich, dass ich nicht hierhergehöre.«
    Dolly richtete sich auf. »Aber ich dachte …«
    »Das soll nicht heißen, dass ich nicht nach Australien gehöre«, sagte Lulu hastig, »ich will damit nur sagen, dass ich nicht hierherpasse – ins Outback.« Lächelnd zuckte sie mit den Schultern. »Das habe ich zwar gedacht, schließlich lebt meine Familie hier, aber es ist nicht meine Welt, und ich würde mir schon bald ziemlich eingesperrt vorkommen.«
    »Bei all dem vielen Platz?« Dolly riss die Augen weit auf.
    Lulu lachte. »Das klingt albern, nicht wahr? Aber die Abgeschiedenheit ist wie eine Art Gefängnis, es gibt nur wenige Möglichkeiten zu entkommen, und da die Männer den ganzen Tag draußen

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