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Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Titel: Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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vermutete Grant, gaben sie wohl beidem die Schuld.
    So sah ihn bestimmt auch Marian. Ein einfältiger Mensch, voll gestopft mit langweiligem Wissen und durch pures Schwein von der Wahrheit des Lebens abgeschirmt. Ein Mensch, der sich keine Sorgen um seinen Hausbesitz zu machen brauchte und herumspazieren und seinen komplizierten Gedanken nachhängen konnte. Frei, sich wunderbare und großmütige Pläne auszudenken, die seiner Meinung nach einen anderen Menschen glücklich machen würden.
    Was für ein Trottel, dachte sie wohl jetzt.
    Gegenüber einer solchen Person fühlte er sich mutlos, entnervt, schließlich nahezu allein gelassen. Warum? Weil er nicht sicher war, sich gegenüber dieser Person selbst treu bleiben zu können? Weil er Angst hatte, dass diese Menschen am Ende Recht hatten? Fiona hätte solche Befürchtungen nicht gehabt. Niemand hatte sie in ihrer Jugend zurechtgestutzt und eingeengt. Seine Erziehung hatte sie belustigt, und deren strenge Vorstellungen fand sie kurios.
    Trotzdem spricht auch einiges für diese Menschen. (Er hörte sich jetzt in einem Streitgespräch mit jemandem. Mit Fiona?) Diese enge Sichtweise hat auch ihre Vorteile. Marian würde sich wahrscheinlich in einer Krise bewähren. Im Überlebenskampf, fähig, etwas zu futtern herbeizuschaffen und fähig, einem Toten auf der Straße die Schuhe auszuziehen.
    Der Versuch, aus Fiona schlau zu werden, war immer frustrierend gewesen. Bisweilen war das, als folgte man einer Fata Morgana. Nein – als lebte man in einer Fata Morgana. Marian nahe zu kommen würde ein anderes Problem mit sich bringen. Es wäre, als bisse man in eine Litschifrucht. Das Fleisch mit seiner merkwürdig künstlichen Konsistenz, seinem chemischen Geschmack und Geruch, eine dünne Schicht über dem umfangreichen Kern, dem Stein.
    * * *
    Er hätte sie heiraten können. Man stelle sich vor. Er hätte so ein Mädchen heiraten können, wenn er dageblieben wäre, wo er hingehörte. Sie war damals bestimmt zum Anbeißen, mit ihrem knackigen Busen. Ein flotter Käfer. Die betonte Art, wie sie mit ihrem Hintern auf dem Küchenstuhl herumrutschte, ihr geschürzter Mund, die etwas gekünstelte Drohmiene – das war noch übrig von der mehr oder weniger unschuldigen ordinären Koketterie einer Kleinstadt-Schönheit.
    Sie hatte sich bestimmt einige Hoffnungen gemacht, als sie sich Aubrey aussuchte. Sein gutes Aussehen, seine Vertreterstellung, seine Aufstiegschancen. Sie hatte bestimmt geglaubt, dass es ihr eines Tages wesentlich besser gehen würde, als es ihr jetzt ging. Aber wie es diesen praktisch denkenden Menschen so oft widerfuhr. Trotz ihrer Berechnungen, ihrer Überlebensstrategien kamen sie unter Umständen nicht so weit, wie sie es vernünftigerweise erwartet hatten. Ohne Zweifel fanden sie das ungerecht.
    In der Küche sah er als Erstes das blinkende Lämpchen seines Anrufbeantworters. Er dachte das, was er jetzt immer dachte. Fiona.
    Er drückte auf die Taste, noch bevor er den Mantel auszog.
    »Hallo, Grant. Hoffentlich habe ich den Richtigen erwischt. Mir ist gerade was eingefallen. Am Samstag ist hier in der Stadt im Veteranenverein ein Tanzabend für Alleinstehende, und ich bin im Festkomitee, was bedeutet, dass ich umsonst einen Gast mitbringen kann. Da habe ich überlegt, ob Sie nicht vielleicht Lust dazu haben. Rufen Sie mich zurück, wenn’s geht.«
    Eine Frauenstimme nannte eine örtliche Telefonnummer. Dann erklang ein Piepton, und dieselbe Stimme redete weiter.
    »Ich hab gerade gemerkt, ich hab ganz vergessen, zu sagen, wer ich bin. Sie haben mich wahrscheinlich schon an der Stimme erkannt. Hier ist Marian. Ich hab mich immer noch nicht richtig an diese Automaten gewöhnt. Und ich wollte sagen, mir ist klar, dass Sie nicht alleinstehend sind, und ich hab’s nicht so gemeint. Jedenfalls, wo ich das jetzt alles gesagt habe, hoffe ich doch, dass ich tatsächlich mit Ihnen rede. Es hat sich wie Ihre Stimme angehört. Wenn Sie Interesse haben, können Sie mich ja anrufen, und wenn nicht, lassen Sie’s einfach. Ich dachte nur, vielleicht freuen Sie sich über eine Gelegenheit, mal rauszukommen. Hier spricht Marian. Ich glaube, das hab ich schon gesagt. Also dann. Auf Wiederhören.«
    Ihre Stimme auf dem Anrufbeantworter klang anders als die Stimme, die er noch vor kurzem in ihrem Haus gehört hatte. In der ersten Nachricht nur wenig, in der zweiten dann stärker. Er hörte Nervosität heraus, eine vorgetäuschte Unbekümmertheit, eine Hast, es hinter sich

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