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Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Titel: Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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zu bringen, und ein Widerstreben loszulassen.
    Etwas war mit ihr passiert. Aber wann war es passiert? Wenn es sofort passiert war, hatte sie es in der ganzen Zeit, die er bei ihr war, sehr erfolgreich verborgen. Doch wahrscheinlich war es allmählich über sie gekommen, vielleicht, nachdem er gegangen war. Nicht unbedingt als schlagartige Anziehung. Lediglich die Erkenntnis, dass er eine Möglichkeit war, ein allein stehender Mann. Mehr oder weniger alleinstehend. Eine Möglichkeit, der sie durchaus nachgehen konnte.
    Aber sie hatte Manschetten gehabt, als sie den ersten Zug machte. Sie hatte sich aufs Spiel gesetzt. Wie viel von sich vermochte er nicht zu sagen. Im Allgemeinen nahm im Laufe der Zeit, während die Dinge vorankamen, die Verletzlichkeit einer Frau zu. Am Anfang konnte man nur sagen, wenn sich jetzt schon eine Spur davon zeigte, war später mehr zu erwarten.
    Es bereitete ihm Genugtuung – warum es leugnen? –, das bei ihr geweckt zu haben. Etwas wie ein Schimmern, ein Kräuseln an der Oberfläche ihrer Persönlichkeit hervorgerufen zu haben. In ihren gereizten breiten Vokalen diese schwache Bitte gehört zu haben.
    Er holte Eier und Pilze heraus, um sich ein Omelett zu machen. Dann dachte er, er könnte sich auch einen Drink genehmigen.
    Alles war möglich. Stimmte das auch – war alles möglich? Würde es ihm zum Beispiel, wenn er es wollte, gelingen, ihren Widerstand zu brechen, sie dazu zu bewegen, auf ihn zu hören und Aubrey zu Fiona zurückzubringen? Und nicht nur für Besuche, sondern für den Rest von Aubreys Leben? Wohin konnte dieses Herzflattern sie beide führen? Zu einem Umschwung bei Marian, zu einem Ende ihrer Sicherheitsbedürfnisse? Zu Fionas Glück?
    Es wäre eine Herausforderung. Eine Herausforderung und eine lobenswerte Tat. Außerdem ein Witz, den er nie irgendjemandem anvertrauen konnte – dass er etwas Schlechtes tat und dadurch für Fiona etwas Gutes.
    Aber eigentlich war er gar nicht fähig, darüber nachzudenken. Denn dann müsste er sich überlegen, was mit ihm und Marian werden sollte, nachdem er Aubrey bei Fiona abgeliefert hatte. Und das konnte nicht gut gehen – es sei denn, er fand darin mehr Befriedigung, als er voraussah, und entdeckte unter ihrem robusten Fruchtfleisch den Kern schuldfreien Eigeninteresses.
    Man wusste nie genau, wie sich solche Dinge entwickelten. Man wusste es einigermaßen, aber man konnte sich nie sicher sein.
    Jetzt saß sie bestimmt in ihrem Haus und wartete auf seinen Anruf. Oder saß wahrscheinlich nicht da, sondern werkelte herum, um etwas zu tun zu haben. Sie schien eine Frau zu sein, die immer etwas zu tun haben musste. Ihr Haus hatte jedenfalls deutlich von permanenter Pflege gekündet. Und da war Aubrey – der weiterhin wie sonst auch versorgt werden musste. Vielleicht hatte sie ihm schon früh das Abendbrot gebracht, seine Mahlzeiten dem Zeitplan von Wiesensee angepasst, damit er eher als sonst seine Nachtruhe antrat und sie die Pflichten des Tages hinter sich hatte. (Was fing sie mit ihm an, wenn sie zu einem Tanzabend ging? Konnte er allein bleiben, oder musste sie eine Pflegekraft bestellen? Würde sie ihm sagen, was sie vorhatte, ihren Begleiter vorstellen? Musste der Begleiter für die Pflegekraft aufkommen?)
    Vielleicht hatte sie Aubrey gefüttert, während Grant die Pilze kaufte und nach Hause fuhr. Vielleicht brachte sie ihn jetzt zu Bett. Aber die ganze Zeit über dachte sie ans Telefon, an das Schweigen des Telefons. Vielleicht hatte sie sich ausgerechnet, wie lange Grant bis nach Hause brauchte. Seine Adresse im Telefonbuch hatte ihr eine ungefähre Vorstellung davon gegeben, wo er wohnte. Sie hatte die Fahrtdauer überschlagen, dann Zeit für mögliche Einkäufe zum Abendbrot hinzugefügt (aus der Überlegung, dass ein alleinstehender Mann jeden Tag einkaufen würde). Dann eine gewisse Zeit, bis er dazu kam, seinen Anrufbeantworter abzuhören. Und während ihr Telefon beharrlich schwieg, grübelte sie bestimmt über andere Dinge nach. Andere Besorgungen, die er zu erledigen hatte, bevor er nach Hause fuhr. Oder vielleicht aß er im Restaurant, war verabredet, was bedeutete, dass er zur Abendbrotzeit gar nicht zu Hause sein würde.
    Sie würde bis spät in die Nacht aufbleiben, die Küchenschränke putzen, fernsehen, mit sich selbst diskutieren, ob überhaupt noch eine Chance bestand.
    Was bildete er sich eigentlich ein? Sie war vor allem eine vernünftige Frau. Sie würde zur üblichen Zeit zu Bett gehen und

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