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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Hotelzimmer bleibt, während seine Braut beim Friseur ist, ist wohl zu viel verlangt.
    »Vermutlich schon«, sagte ich vage. »Auf dem Zimmer
ist er nicht, und auch meine Eltern sind nirgendwo aufzutreiben. Und wie Sie sehen, haben wir heute alle noch was vor.«
    »Also, Ihr Bräutigam wollte noch ein paar Eddingstifte kaufen«, informierte mich der freundliche Portier.
    »Eddingstifte.«
    »Ja. Er wollte sich erst welche von mir ausleihen, aber ich konnte ihm nicht mehr als drei anbieten, und er sprach von etwa fünfzig.«
    »Fünfzig. Eddingstifte.«
    »Es kann ja sein, dass wir nicht von demselben Herrn sprechen«, versuchte der Portier mich zu trösten.
    »Ich fürchte schon.«
    Geschwächt ließ ich mich in eine Polstergarnitur in der Lobby sinken.
    Am hinteren Ende des Saals stand ein Marmorbrunnen, an der anderen Seite führten ein paar Stufen zu einer Art Podest. Hier würde Väterchen nachher eine Rede halten. Wohin mein Auge sah, eilten Menschen umher, arrangierten Blumen, drapierten Chiffon und stellten vergoldete Stühle in Reihen auf den üppig gemusterten Teppich.
    Wow.
    Das hier war eigentlich ziemlich … nett. Genauer gesagt sogar phänomenal. Ich tupfte mir mit dem Schleier den Angstschweiß von der Stirn.
    »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«, fragte ein grau livrierter Kellner mitleidig. »Kaffee vielleicht? Oder einen Orangensaft?«

    Blitzartig wog ich ab, was auf meinem Brautkleid weniger anstößig aussehen würde, wenn ich es als Fleck auf dem Schoß hätte, und entschied mich spontan für Champagner.
    »Das sind die schönsten und größten Blumenarrangements, die ich je gesehen habe! Ganze Kaskaden von Rosen, Tulpen, Lilien … und sind das da etwa Orchideen?«
    »Ich verstehe vollkommen, dass Sie ein wenig angespannt sind.« Der Kellner schenkte mir ein mitfühlendes Lächeln.
    »Man heiratet nur einmal!«, scherzte ich und machte eine fahrige Geste, die diesen ganzen Hochzeitsluxus mit einschloss.
    »Jedenfalls in Ihrem Alter«, gab der Kellner wissend zurück. »Mit der Zeit wird man ruhiger.«
    Ich zuckte zusammen. »Also, ich gedenke nur dieses eine Mal zu heiraten.«
    Nein. Diesen Stress werde ich mir kein zweites Mal antun. Zumal ich mir inzwischen keinen anderen Mann mehr als Stefan an meiner Seite vorstellen konnte. Den konnte ich mir auch gut in älter vorstellen. Er würde kein Gramm Fett ansetzen, keine Glatze bekommen, nicht herumjammern, sich nicht bedienen lassen, nicht mit Puschen vor dem Fernseher abhängen und nicht mit einer Klorolle auf der Hutablage Auto fahren. Die schlimmste Unbill konnte ich im Vorfeld schon mal getrost abhaken.
    Genau in dem Moment, in dem ich das stark überteuerte Erfrischungsgetränk in mich hineinschüttete,
vernahm ich von der Straße her ein blechernes Geräusch.
    »Da! Der Bräutigam naht!«, schrie ich begeistert durch die Hotelhalle.
    Alle schauten durch die riesige Glasfront. Und richtig! Der uralte Mercedes 123, auf dessen Dach seit Jahren ein Surfträger festgerostet war, bog mit rheumatischem Husten um die Ecke. Mit einem gut gelaunten Stefan am Steuer.
    Sicherlich hatte er sich hier in Hamburg schon viele Freunde unter den Kraftfahrzeuglenkern gemacht, denn erstens fuhr er schlappe dreißig, zweitens machte er einen Höllenlärm, und drittens prangte der nicht wirklich hanseatische Aufkleber »Bock auf Bayern!« unter seinem verrosteten RH-S-Nummernschild. Das RH stand für den Landkreis Roth bei Nürnberg - und da war ich nun gelandet, liebe Mutter, in der fränkischen Pampa und nicht in HH.
    Hastig schüttete ich den Rest des Champagners in mich hinein.
    Während meiner besorgniserregend langen Abwesenheit hatte sich mein lieber Stefan wohl in seinem Fünf-Sterne-Hotelzimmer gelangweilt und war auf den Gedanken gekommen, das Auto noch ein bisschen schick zu machen.
    An dem Dachgepäckträger flatterten jetzt an die fünfzig bunte Luftballons in der frischen Hamburger Maibrise - ein echter Hingucker! Sofort versammelte sich eine neugierige Menschentraube in der Hoteleinfahrt.

    »ICH LIEBE DICH, Konstanze!«, las die Meute von der Beifahrerseite ab. Einige begannen, das Fahrzeug zu fotografieren. Ich sprang auf und trippelte leicht schwankend Stefan entgegen, wobei mir die Röte in die Wangen schoss. Verschämt versuchte ich meinen zukünftigen Gatten in die Hotelhalle zu ziehen.
    Vielleicht würde das dem einen oder anderen Mitglied meiner Familie ein bisschen peinlich sein.
    Ich sah mich um - das viele Blattgold, die

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