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Himmel und Hölle

Titel: Himmel und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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noch wenige. Alles abrasiert? Ups. Was für eine lange Naht. Oh Gott, ich musste furchtbar aussehen!
    Aber ich stand dermaßen unter Schmerzmitteln, dass mich das nicht weiter kratzte. Nur sauber wollte
ich sein. Auch auf dem Kopf. Dieses verkrustete Blut fing ja schon an zu stinken. Die Wände der Dusche kamen abwechselnd auf mich zu und drifteten wieder weg. Lustig. Wie im Gruselkabinett.
    »Sind Sie … Ja, um alles in der Welt … Sie werden sich doch jetzt wohl nicht den KOPF DUSCHEN?«
    Die arme Schwester, die aus Pietätsgründen draußen geblieben war, riss mir den Duschkopf aus der Hand.
    »Ähm … nicht?« Ganz erstaunt stand ich da, nackt und tropfend, und konnte nichts anderes sagen als: »Wiesodn?«
    »Weil Sie hirnoperiert sind, Sie Wahnsinnige«, sagte Schwester Michaela und stöhnte. »Oh Gott, wenn das der Professor erfährt, dass ich Sie zur Personaldusche gebracht habe, dann bin ich meinen Job los!«
    Ächzend schleppte sie mich wieder zurück in mein Aquarium. Die Glaswände kamen und gingen, und an der Decke klebten lauter rote Plastiktüten, aus denen grüne Drachengesichter kicherten.
    »Ich verrate nix«, versprach ich ihr, während sie mich wieder auf die sterilen Laken bettete und notdürftig abtrocknete. »Ehrenwort. Aber nur, wenn Sie mir einen Spiegel bringen.«
    »Es ist besser, wenn Sie erst mal nicht in den Spiegel schauen«, seufzte Schwester Michaela. Im Weggehen murmelte sie kopfschüttelnd: »Die zwei haben sich wirklich verdient.«
    Ich grinste schief und dämmerte weg.

34
    Das allergrößte Elend nach dieser Operation war die Sehnsucht nach meinen Kindern. Aber dagegen konnte man auch hier auf der Intensivstation nichts ausrichten. Ich war mir sicher: Ich würde nie gesund werden, wenn ich nicht endlich meine vier Kinder in den Armen halten durfte.
    Stefan und ich, wir nervten alle Ärzte und Schwestern so lange, bis man uns »auf eigene Verantwortung« gehen ließ. Nach Hause. Zu meinen Stars.
    Normalerweise hätte ich noch wochenlang in eine Reha gehört.
    Normalerweise. Aber was war bei uns schon normal?
    Stefan schleppte mich mehr tot als lebendig nach Hause. Dort angekommen, fand ich meine weinenden, verstörten Kinder vor.
    Ich fiel sofort aufs Bett, die Kinder kuschelten sich an mich und weigerten sich, mich loszulassen. Die Zwillinge brüllten sich die Seele aus dem Leib. Stefan legte ihre Gesichter an meines, damit ich sie riechen und fühlen konnte. Mein frisch operierter Kopf wollte schier zerspringen von ihrem Geschrei. Aber meine Muttergefühle waren stärker. Auf dem fast noch frisch operierten
Bauch lagen die Köpfe meiner Großen. Ich hätte vier Hände haben wollen, um sie alle gleichzeitig zu streicheln. Die Schmerzen versuchte ich zu ignorieren.
    »Mami, gehst du jetzt nicht mehr weg?« Das ängstliche Piepsstimmchen meiner Minimaus schmerzte mich mehr als alle Operationswunden.
    »Nein, mein Herz. Die Mami bleibt jetzt hier.«
    »Und du wirst auch nicht sterben?«, fragte schüchtern und blass mein Konstantin.
    »Nein, ich sterbe nicht. Versprochen.«
    »Lasst die Mami mal in Ruhe!«, sagte Stefan mahnend und versuchte, die Kinder von mir wegzuziehen. Aber sie schrien so ohrenbetäubend und traten nach ihm, dass ich ihn anflehte, sie einfach nur in Ruhe zu lassen. Jede Bewegung der kleinen Kinderkörper auf oder an mir tat scheußlich weh, und jedes Geräusch peinigte meinen Kopf. Wenn ich nicht unter Drogen gestanden hätte, wäre ich wahnsinnig geworden.
    Trotzdem riet mir meine Freundin Stefanie, eine Psychologin und Neurologin, die Schmerzmittel möglichst bald abzusetzen.
    »Du hast jetzt die Wahl«, sagte sie. »Entweder du wirst süchtig, oder du hörst sofort damit auf.«
    Ich hörte sofort damit auf. Eine drogensüchtige Mutter nützt den Kindern ebenso wenig wie eine halbseitig gelähmte oder tote. Das hier würde ich auch noch schaffen. Ganz oder gar nicht.
    Nachdem ich die Schmerzmittel rigoros abgesetzt hatte, pochten die Operationswunden, und unter dem
Verband staute sich der Hirndruck. Ich konnte es vor Übelkeit und Schwindel nicht mehr aushalten. Es war, als jagten Düsenjäger in meinem Schädel hin und her. Ich lag mit den Zwillingen auf dem Wohnzimmerteppich, denn vom Sofa wären sie mir bei dem eifersüchtigen Gerangel um Mutternähe runtergekullert. Stefan war gerade einkaufen, denn wir hatten wieder mal keinen Tropfen Milch und keinen Krümel Brot mehr im Haus.
    Nicole hatte ihren ersten freien Tag seit Monaten. Sie hatte weder

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