Himmel voll Blut - DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
ist doch wohl klar, daß ich dich bezahle. Für das, was passiert ist. So arbeite ich meine Schulden bei dir ab.«
»Du schuldest mir nichts. Das haben wir alles schon einmal besprochen, falls du dich erinnerst.«
Teufel noch mal, ich wollte das nicht alles noch mal durchkauen. Bestimmt jetzt nicht, wo wir beide drüber wegzukommen schienen.
»Ich erinnere mich. Aber trotzdem …«
»Um Himmels willen«, sagte ich. »Erzählst du mir vielleicht mal, was los ist?«
Er saß lange schweigend da, während Jackie von einem zum andern blickte und sichtlich auf das Schlimmste gefaßt war.
»Es geht um Tom«, sagte er schließlich.
»Deinen Bruder.«
»Ja.«
Ich wußte herzlich wenig über Tom. Ich wußte, daß er ein paar Jahre jünger war als Vinnie und daß er seiner Familie genug Probleme bereitet hatte, um Vinnie als Goldjungen dastehen zu lassen. Es hatte da einen Zwischenfall an der kanadischen Grenze gegeben, über den Vinnie nicht sprechen wollte – ich mußte es aus den Soo Evening News erfahren. Das war übrigens das letzte Mal gewesen, daß ich Tom gesehen hatte – unmittelbar bevor er von der Bildfläche verschwand, um seine zwei Jahre in Kincheloe abzusitzen,
»Was ist das Problem?« Ich wußte, daß er auf Bewährung draußen war und, wie es sich gehörte, allen verkündete, daß er sich von nun an nichts mehr zuschulden kommen ließe. Aber, Teufel noch mal, wenn er wieder in Schwierigkeiten steckte, würde mich das nicht schockieren.
»Er war auf einem Jagdtrip in Ontario. Vor zwei Tagen hätte er zurück sein müssen.«
»Und ist nicht zurückgekommen?«
»Nein.«
»Du glaubst doch nicht …«
»Was, daß er bewußtlos in einer Kneipe in Kanada liegt? Meinst du das?«
»Vinnie, bitte.«
»Diesmal verhält es sich anders, Alex.«
Jetzt kommt es, dachte ich. Er geht jetzt regelmäßig zur Selbsthilfegruppe, er ist wie ausgewechselt. Den üblichen Sermon. Das war es, was ich erwartete.
Aber das kam nicht.
»Dieses Mal«, sagte Vinnie, »ist er ich.«
Kapitel 2
»Er hat mich vertreten«, sagte Vinnie. »Verstehst du nicht, was ich sage? Tommy war da oben und hat so getan, als wäre er ich.«
Zuerst verstand ich das nicht. Dann kapierte ich.
»Moment mal«, sagte ich. »Willst du mir erzählen, daß er da oben auf Jagd war?«
»Ja.«
»Und er hat so getan, als wenn er du wäre?«
Vinnie sah seine Hände an. »Ja.«
»Weil du nicht hingekonnt hast. Weil du mir ja bei der Hütte helfen mußtest.
»Nein, das ist es nicht, Alex.«
»Vinnie …«
»Es war sein Job, nicht meiner. Sie hatten ihn angerufen.«
»Und warum mußte er da so tun, als wäre er du?«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Vinnie. »Sie läuft darauf hinaus, daß ich es ihn habe machen lassen. Ich bin dafür verantwortlich.«
»Wann hätte er zurück sein sollen?«
»Vor zwei Tagen.«
»Wer ist noch gegangen? Ist überhaupt jemand zurückgekommen?«
»Nein, bis jetzt nicht.«
»Wer war das, Vinnie? Mit wem war er unterwegs?«
»Hör mal, können wir das unterwegs besprechen? Ich muß ins Reservat.«
»Gehen wir denn beide dahin?«
»Ja, ich muß dich dabei haben. Wenn du nichts dagegen hast.«
»Verrätst du mir auch, warum?«
»Ich brauch dich als Beschützer.«
»Beschützer?« Jackie sah mich an und warf dann sein Handtuch ins Spülbecken.
»Es geht um meine Mutter«, erklärte Vinnie. »Ich denke mir, wenn du dabei bist, verzichtet sie vielleicht darauf, mich umzubringen.«
Ich wußte, daß er das nur so sagte, aber ich ging dennoch mit ihm. Ich glaubte ihm das schuldig zu sein. Wir nahmen meinen Kleinlaster, und er setzte sich auf den Beifahrersitz und sah sich die Bäume an. Nach einigen Minuten des Schweigens rückte er mit dem Rest der Geschichte raus.
»Dieser Typ hat ihn angerufen. Aus Detroit. Er hat gesagt, er hätte gehört, daß er ein guter Führer sei, daß er eine Jagd zu was Tollem machen könne. Du weißt schon, nicht nur den üblichen Trott durch die Wälder. Tom hat ihm gesagt, daß er kaum noch Jäger begleitete. Statt dessen hat er mich empfohlen. Er hat gesagt, ich sei das Wahre.«
Ich wußte, daß das Vinnies ganz große Liebe war. Auch andere Jagdführer konnten Tiere aufspüren, sie aufbrechen und portionieren, wenn man Glück gehabt hatte und es eine Strecke gab. Vinnie würde das alles auch machen, aber dabei würde er die Geschichten erzählen, die er von seiner Großmutter hatte, über das Land und den Himmel, die Tiere und die Jahreszeiten. Die vier
Weitere Kostenlose Bücher