Himmelsfelsen (Krimi-Edition)
Frau: »Kann ich dir etwas helfen?«
»Nein«, kam es zurück, »ich bin gleich fertig. Mach dir’s ruhig gemütlich.«
Er antwortete nicht, sondern lehnte sich zufrieden zurück und las noch einmal in Ruhe den Artikel über den Mordfall. Heute früh hatte er ihn nur überflogen.
Plötzlich hörte er seine Frau erschrocken rufen: »Hast du das gerade auch gehört?«
Ferdl blickte über den Rand der Zeitung und erwiderte irritiert: »Was denn?«
»Da ist jemand im Haus«, sagte Helga und kam mit einem Geschirrtuch in der Hand ins Wohnzimmer.
Ferdl legte die Zeitung beiseite, erhob sich und ging auf Helga zu. »Wie kommst du denn da drauf?« In diesem Moment krachte ein Donner.
»Ich hab’ die Tür gehört und Schritte nach oben«, erklärte Helga und blieb ratlos vor ihrem Ehemann stehen.
»Das sind Regengeräusche«, beruhigte Ferdl und ging in den Flur. Der Wind pfiff in jede Ritze, das alte Haus ächzte. Draußen trommelte der Regen.
»Nein, das was ich gehört hab’, war eindeutig«, beharrte Helga, »ich bin ganz sicher, da ist jemand rein und nach oben gegangen.«
Ferdl sah, dass sich Helga fürchtete. Er kannte seine Frau lange genug, um zu spüren, wann sie Angst hatte. Jetzt war so ein Moment.
Ferdl versuchte zu lächeln. »Wir haben doch selbst zugeschlossen. Das müsste gerade jemand sein, der einen Schlüssel hat…« Ferdl stand im Flur und lauschte zur Wohnungstür, die ins Treppenhaus führte.
»Mir ist das unheimlich«, sagte Helga und blieb unter der Wohnzimmertür stehen. Ein Blitz erhellte die Szenerie.
»Wer soll da schon gekommen sein …?«, fragte sich Ferdl.
»Du weißt, dass die Neugebauer gestorben ist …«, sagte Helga, deren resolutes Auftreten, für das sie in ihrer Schenke bekannt war, mit einem Mal verflogen schien.
Ferdl lächelte gezwungen. »Du glaubst doch nicht etwa an Spuk …?«
Sie sagte nichts.
Ferdl, ein Mann, der sich vor nichts fürchtete, war entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. Als er gerade einen Schritt in Richtung Wohnungstür tat, stutzte auch er: In der Wohnung über ihnen knarrte eine Diele.
»Schritte«, sagte Helga, »das sind doch Schritte.«
Boris saß mit Susann Stahlecker in einem Raum, der einmal der › Salon ‹ des Parkhotels gewesen sein musste. Noch immer war ein bisschen Prunk zu sehen: Stuckverzierte Wände, ein goldverzierter Spiegel, eine verschnörkelte Kommode. Doch der violette Vorhang hätte dringend eine Wäsche nötig gehabt.
»Prost«, sagte Boris und hob das Rotweinglas.
Susann, die ihm in einem großen abgegriffenen Sessel gegenübersaß, tat’s ihm nach.
»Hast Kontakt zu Eric und Harry?«, fragte Boris.
»Nein, wir sollten auch nicht telefonieren. Man weiß ja nie …«, sagte sie und schlug ihre Beine übereinander. Boris hatte den zur Peitsche gefalteten Ledergürtel vor sich auf den Tisch gelegt.
»Habe Kartentelefon«, grinste Boris und zog ein Handy aus der Hosentasche, »niemand weiß, wer spricht.«
»Dann versuch’ doch mal anzurufen«, schlug sie vor, worauf Boris sofort die Nummer eintippte. Wenig später schien sich jemand zu melden.
»Boris, hier, Harry, bitte …«, sagte der Litauer und lauschte auf die Antwort. Dann verengte er die Augenbrauen und wurde energischer: »Dann Eric, bitte …«. Wieder hörte er auf das, was sein Gesprächspartner sagte, dann beendete er das Gespräch und schaute entsetzt in Susanns Gesicht: »Nicht da, weg, abgehauen.«
Susann erschrak: »Was heißt das?«
»Nicht da«, schrie der Litauer und sprang auf, »Wolfgang sagt, keiner da. Beide weg, weiß nix.«
Auch Susann stand auf: »Was heißt abgehauen? Wohin?«
»Weiß nix«, erklärte Boris, »niemand weiß.«
»Und warum, was sagt Wolfgang?«, fragte Susann und meinte damit einen der Barkeeper, der offenbar das Telefon abgenommen hatte.
»Weiß nix, hat nix gesehen.«
Ein Donner ließ das Gebäude erbeben. Boris ging zum Fenster und schaute in die Gartenanlage hinab. »Verdammt«, entfuhr es ihm.
Sie folgte ihm und schaute an ihm vorbei auf die Hofeinfahrt, wo der Regen zu prasseln begann: »Bullen.«
Mehrere Kastenwagen waren vorgefahren, aus denen einige Dutzend Männer in Polizei-Kampfuniformen stiegen und sich um die Fahrzeuge gruppierten.
Boris schob die blonde Frau unsanft zur Seite, rannte in ein Nebenzimmer und kam mit einem schweren Revolver zurück.
»Was machst du da?«, flüsterte sie mit zitternder Stimme.
Er packte die Frau am Hals und richtete die Waffe auf ihren Kopf:
Weitere Kostenlose Bücher