Himmelsfelsen
drückte die engen Schließen ziemlich unsanft
über die Fußgelenke und ließ sie einrasten. »Da könnt’ ihr euch auf eure Einsätze
vorbereiten«, grinste sie triumphierend, als sie ins nächste Zimmer ging. Dort lag
Ludmilla auf einer uralten Liege. Susann kannte dieses Mädchen, weil es sich schon
einmal mit Boris angelegt hatte. Auch jetzt fauchte es etwas auf Litauisch. Boris,
der Susann gefolgt war, schrie zurück.
»Was sagt sie?«, wollte Susann wissen.
»Hat gesagt, du bist ein Schwein«, übersetzte
Boris.
»Was?«, zischte Susann und griff sich die Fußgelenke
der Frau, um ihr die nur 20 Zentimeter lange Kette anzulegen. »Zeig’s ihr«, befahl
sie dann ihrem Begleiter, nachdem das Schloss eingerastet war. Boris brüllte ein
paar Worte, packte die schreiende Frau heftig an den Schultern und zerrte sie mit
einem festen Griff auf den Bauch. Dann ließ er den Ledergürtel durch die Luft pfeifen
und auf ihr Hinterteil und ihre bloßen Oberschenkel sausen. Zwei-, dreimal. Die
Frau schrie, schluchzte, versuchte sich wegzudrehen und fasste sich ans Gesäß, wo
unterhalb der ausgefransten Jeans die Haut sich dunkelrot zu verfärben begann.
»Sag’ ihr, dass das nur der Anfang ist, wenn
sie nicht spurt, sag’ ihr, dass sie morgen ausgepeitscht wird«, befahl die Blonde
lächelnd und ging ins nächste Zimmer. In diesem Moment krachte ein gewaltiger Donner.
Im Lehrsaal des Geislinger Polizeireviers hatte sich die gesamte Presse
des Filstals eingefunden: Georg Sander von der »Geislinger Zeitung«, die Praktikantin
des Lokalradios, eine Journalistin der »Stuttgarter Zeitung«, ein Vertreter der
»Stuttgarter Nachrichten« und zwei Fernseh-Teams. An der Stirnseite der U-förmig
aufgebauten Tische, an dem freilich die meisten Plätze leer waren, saß die Leitung
der Polizeidirektion Göppingen und der Leitende Oberstaatsanwalt von Ulm. Vor ihnen
hatte die Praktikantin des Lokalradios ihr Mikrofon aufgebaut, ein Fotojournalist
aus Göppingen, dessen dünnes Haar zu einem Zopf gebunden war, war seitlich mit Stativ
und Digitalkamera in Position gegangen.
Sander hatte sich gleich beim Betreten des
Raumes gewundert, dass Häberle nicht da war. Er wollte Kripo-Chef Bruhn aber nicht
nach ihm fragen.
Der Chef der Polizeidirektion Göppingen, ein
uniformierter Direktor, begrüßte den Staatsanwalt und die Journalisten und ließ
noch einmal die vergangenen beiden Tage Revue passieren. Er wies darauf hin, mit
welch hohem personellen Einsatz der Fall angegangen werde, zumal die Angelegenheit
doch tief in die Kommunalpolitik hineinspiele. Polizei-Pressesprecher Uli Stock
machte sich eifrig Notize, warum, wusste wohl keiner so recht. Zweiter Redner war
Kripo-Chef Bruhn, auf dessen Glatze sich die Neonlichter spiegelten, die inzwischen
angeschaltet werden mussten. Draußen tobte das Gewitter, der Himmel war verfinstert.
Bruhn hob hervor, dass er sich selbstverständlich
sofort ein Bild vom Tatort verschafft und einen Hubschrauberflug unternommen habe.
Danach habe er entschieden, eine Sonderkommission einzurichten, falls der Mann einem
Verbrechen zum Opfer gefallen sein sollte. Dann begann Bruhn über den Stand der
Ermittlungen zu referieren, wie sie ihm Kriminalist Markus Schmidt in aller Eile
zuvor erläutert hatte, nachdem Häberle offenbar nirgendwo aufzutreiben war. Bruhn
sortierte immer wieder nervös seine Blätter, auf denen sich die Aufzeichnungen befanden.
»Sie sehen, wir haben die Information aktuell zusammengestellt, um Sie auf dem Laufenden
zu halten«, versuchte er, sich aus der Affäre zu reden. Lokaljournalist Sander hielt
sich vornehm zurück. Er überlegte sich nur, wozu diese Pressekonferenz anberaumt
worden war. Vermutlich, das wurde ihm ziemlich rasch klar, weil Bruhn eine Dankesorgie
loswerden wollte: An die Bürger, die Hinweise gegeben hatten, an Zeugen und sonstige
Personen, die der Polizei hilfreich gewesen waren. Ungeheuer spannend, dachte Sander
und schaute provokativ auf seine Armbanduhr.
Als Letzter ergriff der Leitende Oberstaatsanwalt
das Wort. Er stellte die Dimension des Falles dar, der alles gesprengt habe, was
in den letzten zehn Jahren in Geislingen geschehen sei. Doch unabhängig davon, ob
die Verbrechen in der Provinz oder in der Großstadt geschähen, die Polizei sei präsent
und die Staatsanwaltschaft werde alle gebotenen Mittel zur Verfügung stellen, um
die Täter zu fassen. »Wer hätte das gedacht«, murmelte Sander zu der Kollegin von
der »Stuttgarter Zeitung«
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