Himmelsfelsen
hinüber.
Als alles gesagt war, was keiner hören wollte,
hob er doch noch die Hand, um eine Frage zu stellen: »Und wie sieht’s nun mit einer
heißen Spur aus?«
Bruhn ergriff das Wort: »Herr Sander, dass
Sie diese Frage stellen, damit hab’ ich gerechnet. Sie werden aber verstehen, dass
wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Details bekannt geben können. Die Kollegen hier
tun ihr Möglichstes und verfolgen eine Vielzahl von Hinweisen, von denen einige
tatsächlich erfolgversprechend sind.«
»Was hat es denn mit der Sanierung zu tun?«,
hakte die Journalistin der »Stuttgarter Zeitung« nach.
Jetzt schaltete sich der Staatsanwalt ein:
»Da wurde in der örtlichen Presse viel zu viel spekuliert. Ich betone: Spekuliert.
Ich kann dazu im Moment nur sagen: Kein Kommentar.«
Der Deutsche Wetterdienst hatte eine Unwetter-Warnung für den Bereich
der Schwäbischen Alb herausgegeben. Inzwischen kübelte es von Donaueschingen bis
Dillingen. Es schien so, als versinke ein ganzer Landstrich in den Wassermassen.
Doch nur ein Anfang dessen, was im Laufe dieses Sommers 2002 noch geschehen sollte.
Ein Vorgeschmack auf die Hochwasser-Katastrophe an Donau und Elbe. Niemand konnte
an diesem Juni-Abend ahnen, dass der Sommer eigentlich schon vorbei sein würde.
Während der Kripo-Audi durch das große Waldgebiet
rollte und sich der Regen in einen handfesten Wolkenbruch verwandelt hatte, tippte
Häberle in sein Handy eine Nummer ein.
Am anderen Ende der Leitung hatte sich der
Geislinger Kripo-Chef Franz Walda gemeldet. Häberle wusste, dass dieser nicht zur
Pressekonferenz verdonnert worden war. Deshalb fragte er bei Walda nach, wo »die
großen Herren« seien.
»Gerade beim Rundfunk-Interview«, sagte Walda,
»hab’ grad mal droben reingeschaut.«
»Pass’ auf, Franz«, sagte Häberle, »lass’ sie
labern. Hast du gehört, wie die Sache in Dillingen angelaufen ist? Gab’s Rückfragen?«
»Mir scheint, da hast du mächtig was angeleiert
…«, sagte Walda, »die Kollegen in Bayern haben mich ganz schön genervt und sich
vorhin auch noch mit Bruhn verbinden lassen.«
»Aber die Aktion läuft, ja?«, vergewisserte
sich Häberle.
»Du kannst dich auf uns verlassen, keine Sorge.
Aber sag’ mal, wo bist du überhaupt?«
»Auf Ermittlung«, sagte Häberle unbestimmt
und beendete das Gespräch.
Der Regen schien immer dramatischer zu werden.
Auf der Landstraße, die jetzt aus dem Wald herausführte, fuhren keine Autos mehr.
»Das gibt eine Katastrophe, wenn das so weitergeht«,
stellte Linkohr fest, als er von vorne ein Feuerwehrfahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn
herankommen sah.
Ferdl und seine Frau Helga hatten ihren Sommertag auf der Burgruine
unerwartet schnell beenden müssen. Das Unwetter war ungewöhnlich rasch herangezogen.
Ferdl hatte gerade noch seine Fahne vom Turm holen können, ehe die Sturmböen sie
zerfetzt hätten. In aller Eile hatten die beiden ihre Schenke aufgeräumt und die
schwere eiserne Tür verriegelt. Anschließend waren sie zu ihrer Wohnung in der Langen
Gasse gefahren. Den VW-Kombi, in dem sie die Waren zur und von der Schenke transportierten,
parkte Ferdl rückwärts in eine enge Hofeinfahrt zwischen zwei sanierungsbedürftigen
Häusern. Der Sturm hatte bereits den Regen vor sich hergepeitscht, als sie in eines
der Gebäude gegangen waren. Sie bewohnten das Erdgeschoss, während die beiden oberen
Etagen seit Langem leer standen und vor sich hingammelten.
Ihre Wohnung hatten sie jedoch genauso geschmackvoll
eingerichtet, wie ihre Schenke: Rustikale Möbel, Pflanzen und viel Ambiente, das
Liebe zum Detail erkennen ließ.
Ferdl, der Mann mit dem stattlichen Körperumfang,
trug noch immer seine krachlederne Hose, die schon zu einem ›Markenzeichen‹ geworden
war. Während »seine Helga«, wie er seine Frau zu bezeichnen pflegte, in der Küche
mitgebrachtes Geschirr und Frischhalte-Schüsseln säuberte, ließ er sich in einem
Sessel im Wohnzimmer nieder. Er lauschte auf das Gewitter, auf den Donner und den
prasselnden Regen. Auf der Langen Gasse waren bereits tiefe Pfützen entstanden,
die Gullys konnten die Wassermengen kaum noch schlucken. Von Ferne hörte Ferdl ein
Martinshorn.
Er holte sich die ›Geislinger Zeitung‹, die
auf einem zweiten Sessel lag. Insgeheim war der Schenkenwirt froh, dass der anstrengende
Tag auf der Burgruine so früh geendet hatte. Er brauchte wieder einmal Ruhe, und
seine Helga auch. Er hörte, wie sie in der Küche Geschirr abspülte. Während er
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