Himmelsfelsen
frühmorgens
losgefahren, um zuerst im Täle, also in Deggingen und Wiesensteig und damit genau
in entgegengesetzter Richtung, 20 bis 30 Kilometer entfernt, noch Baustellen zu
besichtigen und um dann direkt von dort nach Aalen zu fahren, zu diesem Haubensack.
Da kommt er zwar durch Eybach, wo sich sein Handy in die dortige Funkzelle einbucht,
ganz klar, aber wenn er ziemlich genau um sieben in Aalen gewesen sein will, dann
kann er allenfalls um kurz nach sechs etwa durch Eybach gefahren sein. Und nicht,
wie die Telefonüberwachung es zeigt, schon wesentlich früher.«
»Stellt sich also die Frage, was hat Herr Fronbauer
so früh schon in Eybach getan?«, ergänzte Linkohr. Die Straße führte jetzt parallel
zur Bahnlinie nach Amstetten. Der Regen wurde noch heftiger. Die Tropfen prasselten
gegen die Windschutzscheibe. Es war ungewöhnlich dunkel. Kräftige Blitze zuckten.
Die Bäume am Straßenrand wurden von Orkanböen hin- und hergezerrt.
»Und dieser Haubensack in Aalen?«, fragte Linkohr
nach.
»Der dubiose, dynamische, erfolglose Architekt?«,
meinte Häberle, »mein Gott, das ist ein Geschäftemacher. Zockt beim einen und beim
anderen ab. Ich glaub’, den können wir abhaken. Und auch dieser Hofmann in Ulm,
bei dem der Fronbauer auch noch war, spielt keine Rolle, denk’ ich. Der wollte doch
nur Geld vor der Steuer in Sicherheit bringen, woher er es auch immer hat, als angeblicher
Kunstmaler.«
Wieder zuckte ein greller Blitz. Auf der Straße
bildeten sich bereits große Wasserflächen. In Amstetten brannten die Straßenlampen.
»Dann werden wir uns jetzt den Fronbauer hernehmen?«,
wollte Linkohr wissen. Er spürte, wie der Wagen auf Aquaplaning geriet.
»Genauso ist es. Wir werden den Kerl mal durchleuchten,
während unsere obersten Chefs salbungsvolle Worte bei der Pressekonferenz von sich
geben.« Häberle grinste und schaute auf die Armbanduhr. Es war kurz vor halb sechs.
»Und Sie meinen, unsere Beweise reichen?«,
fragte Linkohr vorsichtig.
»Reden wir mal mit ihm«, erwiderte Häberle,
»wir haben ja noch einen Joker in der Hinterhand.«
Linkohr schaute fragend zu seinem Chef hinüber,
der ihm zu verstehen gab, nun die B 10 zu verlassen, um rechts über die Hochfläche
nach Weiler zu fahren, zu Fronbauers Wohnort.
»Denken Sie an die DNA-Analyse, die uns bald
vorliegen wird. Dann brauchen wir nur noch die Verdächtigen zur Probe zu bitten«,
sagte Häberle.
»Dann schnappt die Falle zu«, stellte Linkohr
fest. Vor ihnen zuckte ein verästelter Blitz über dem großen Waldgebiet, das vor
ihnen lag.
21
Das alte Parkhotel von Dillingen war ein ehrwürdiges Gebäude, dessen
Glanzzeiten schon viele Jahrzehnte zurück lagen. Umgeben von einer größeren Gartenanlage,
in der die Sträucher und Hecken hochgewachsen waren und dringend eines Schnittes
bedürft hätten, hatte das Haus nach der Schließung des Hotelbetriebs vor zehn Jahren
hartnäckig Wind und Wetter getrotzt. Die Nachkommen der letzten Hoteliers hatten
anfangs noch versucht, die Immobilie, die sich weit außerhalb des Donau-Städtchens
befand, zu verkaufen. Doch weil sie nie den Preis erzielen konnten, der ihnen vorschwebte,
vermieteten sie das Hotel schließlich. Im Laufe der Zeit hatte es unterschiedliche
Interessenten und Bewohner gegeben: Türkische Familien und sozial Schwache, aber
auch Handwerker, die in den Erdgeschoss-Räumen kleinere Werkstätten oder Lagerräume
eingerichtet hatten. An der Fassade, die noch vom Stil des späten 19. Jahrhunderts
geprägt war, blätterte der Verputz, die Fenster hätten längst gestrichen werden
müssen. Das dreigeschossige Gebäude mit den prächtigen Giebeln und Gauben ließ nur
erahnen, wie herrschaftlich es hier einstens zugegangen sein mochte.
Die Eigentümer, die längst nicht mehr in Dillingen
ansässig waren, hatten sich vor einem Jahr gefreut, als sie endlich einen offenbar
beständigen Mieter für das gesamte Objekt gefunden hatten: Ein Touristik-Unternehmen
aus Litauen. Zumindest hatten sich die Männer, die sich eines Tages gemeldet hatten,
als solche vorgestellt. Sie bezahlten die Miete im Voraus, waren überaus freundlich
und versprachen, an dem Gebäude auch kleinere Reparaturen vornehmen zu lassen. Regelmäßig,
so hatten sie erklärt, würden Reisegruppen kommen und für zwei, drei Wochen bleiben.
Auch in diesen heißen Junitagen waren die meisten
Zimmer des ehemaligen Hotels wieder belegt. Unter den großen Bäumen parkte ein Kleinbus
mit Ulmer Kennzeichen, an der
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