Himmelsspitz
und der Kraxner fix und fertig, geschniegelt und gestriegelt vor ihr lag, bemerkte Josefa, dass der oberste Silberknopf fehlte.
»Puh, wie schaut das denn aus? Na, so geht das net, so unordentlich können wir den Herrn nicht unter die Erde lassen. Wer weiß, ob dann sein Geist«, sie sah sich vorsichtig in der Kammer um und sprach flüsternd weiter, »nicht mit uns schimpfen tät. Da müssen wir was drannähen, damit er net mit offener Jacken unter die Erde kimmt, unser Herr Kraxner.«
Agnes jedoch schien sich für all die Aufbahrungsvorbereitungen nicht zu interessieren, denn sie schickte sich an, nach draußen zu gehen.
»Ach Josefa, treue Josefa, was für ein schöner Tag heut ist, nicht wahr, Josefa? Ich geh und pflücke einen Blumenstrauß, wir wollen heut schließlich Geburtstag feiern. Wir alle zusammen, Vater, Vinzenz, du, die Knecht und ich.« Dann verließ sie die Magd, den Vater, den Gestank des Todes und ging hinaus, auf die Wiese.
»Agnes«, rief Josefa ihr hinterher. »Gibt doch keine Blumen mehr, haben wir doch schon abgemäht. Der Herbst kommt, es sind keine Blumen mehr auf der Wiese! Hilf mir lieber, deinen Vater in den Sarg zu legen, die Leut kemma bald zum Abschiednehmen, Kerzen müssen noch an’zünd werdn.«
Seufzend ließ sich die treue Magd auf dem Sarg nieder, der neben dem Tisch auf den Leichnam wartete. Vor Jahren schon hatte Fertl ihn in Vinzenz’ Auftrag getischlert. All die Zeit über hatte der Sarg dann drüben im Stall unter Urbans Kammer gestanden. Spinnen und Käfer hatten in ihm gehaust. Überdies eine kleine Maus, die die Knechte mit einer Schaufel erschlagen hatten, bevor sie den Sarg ausfegten und in die Stube trugen.
Nachdenklich betrachtete Josefa den Kopf ihres bleichen Herrn. »Siehst net gut aus, mit dem aufg’rissenen Maul, Urban«, sagte sie und überlegte, wann die Todesstarre wieder nachlassen würde. »Wenn’st dich sehen könntest, Urban, so a unansehnlicher Toter.« Ein letztes Mal versuchte sie, den Kiefer nach oben zu drücken, doch als er zu krachen begann, murmelte sie: »Dann lassen wir dich halt so, Kraxner. Aber den Knopf brauchen wir noch.« Sie schlurfte zur Kommode, in der eine Schatulle alter Knöpfe lag. Dort fischte sie einen Holzknopf heraus und nähte ihn dem toten Urban an den Janker. Zufrieden betrachtete sie ihre Arbeit und setzte sich wieder auf den Sarg.
»Wo bleibst denn, Vinzenz? Lässt dich nicht blicken, könntest auch amal helfen hier.« Sie schüttelte den Kopf. »Bist so anders g’worden, seit dem Tag, an dem die Mure runterkemma ist, Tobi verschüttet und den Kraxnerbauern zum Krüppel gequetscht hat. Froh bist g’wesn, froh über des, was g’schehn ist.« Während sie so vor sich hinbrabbelte, stieß Vinzenz die Tür auf.
»Sitzt die auf dem Sarg«, schimpfte er. »Runter da, am End bricht er noch ein, der Deckel, dann haben wir den Urban hier noch eine Zeit lang in der Stuben liegen. Fangt uns am End zum Faulen an.« Er packte die Magd am Arm und zog sie in die Höhe. »Los, Alte, legen wir ihn in den Sarg, damit er mir endlich aus den Augen kimmt, der windige Kraxner.«
»Geh, hast gar keine Ehrfurcht vorm Toten?«, fragte Josepha, während sie Urban gemeinsam vom Tisch hoben.
»Net, wenn er Kraxner heißt«, erwiderte Vinzenz.
Da flog das Holzbein mit einem lauten Krach zu Boden und zerbrach in zwei Teile.
»Egal«, sagte Vinzenz, »stört keinen. Haben’s doch eh alle Flügel, da droben. Und drunten, falls ihn der Teufel g’holt hat, verbrennt’s eh.«
Dann legten sie den fast schwerelosen Körper auf die Sargmatratze. »Jetzt hast bald deine Ruh, alter Kraxner«, grinste Vinzenz. Bös schaut er ihn an, bös und ohne Trauer, dachte Josefa und ging in ihre Kammer, um sich für den Abschied umzukleiden. Auf dem Weg dorthin warf sie einen kurzen Blick durch die geöffnete Haustür und sah Agnes, wie sie mitten auf der Wiese saß und Gräser rupfte, ein seliges Lächeln im Gesicht.
»Puhh«, sagte Josefa leise, »wird immer ärger mit der Agnes ihrer Seel.«
Als die Glocke die Sterbensbotschaft durch den Ort schickte, befand sich Isabel gerade im Schlafzimmer und packte die Koffer. Während sie ihre Kleidung zusammenlegte, sah sie durch die angelehnte Badezimmertür Horst, wie er seine Morgentoilette vollzog. Er putzte sich ausgiebig die Zähne, gurgelte mit Mundwasser und schnäuzte sich anschließend die Nase. Er war nackt, denn das Handtuch, das er sich nach dem Duschen um den Bauch hatte wickeln wollen,
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