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Himmelsspitz

Himmelsspitz

Titel: Himmelsspitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Tramitz
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steh auf und zieh dich an. Horst und ich haben beschlossen, dass wir heute schon abreisen, auch wenn heute mal wieder die Sonne scheint. Das Wetter soll nämlich bald wieder umschlagen. Wir warten unten mit dem Frühstück auf dich.« Sie warf einen kurzen Blick auf die Keksdose, die bis auf ein paar Krümel leer gegessen war. »Ach Kind, ich hab so gehofft, dass das hier aufhört«, seufzte sie.
    »Mama«, flüsterte Lea. »Ich hab vom Himmelsspitz geträumt.«
    »So, so, vom Himmelsspitz«, sagte Isabel mild.
    »Ja, ich war auf dem Weg zum Gipfel. Bis ganz weit oben, war ich.«
    »Warst du nicht auf dem Gipfel?«
    Lea schüttelte den Kopf. »Nein, nicht ganz.«
    »Warum denn nicht, meine Kleine, da wolltest du doch immer hin, stimmt’s?«, fragte Isabel.
    Lea setzte sich im Bett auf und musterte still ihre Hände.
    »Ich will nicht mehr auf den Himmelsspitz.«
    Isabel streichelte dem Kind über die wirren Locken.
    »Warum denn nicht, mein Schatz?«
    »Ich habe ein altes Haus gesehen«, flüsterte Lea.
    Der Tremplerhof, durchfuhr es Isabel. So wie Fertl es gesagt hatte.
    Wie genau das Haus ausgesehen habe, von außen und von innen, ob sie dort Menschen gesehen habe, ob sie Furcht verspürt habe, Isabel stellte Lea viele Fragen, doch das Kind schüttelte beharrlich den Kopf. »Alles hat ein Loch verschluckt«, sagte es. »Ich geh nicht mehr auf den Himmelsspitz.« Sie machte eine kurze Pause. Ihre Wangen begannen zu glühen. »Auch nachts nicht mehr. Niemals mehr.«
    »Nein, du wirst da sicher nicht mehr hochgehen«, sagte Isabel zärtlich. »Niemals mehr.« Sie drückte ihr Kind fest an sich.
    »Freust du dich ein wenig auf Hamburg?«, fragte sie.
    Lea nickte. »Na, dann zieh dich an, meine Kleine, ich geh schon mal die Koffer packen«, sagte Isabel und verließ das Zimmer.
    Lea hüpfte vom Bett. Sie rückte den Tisch zur Seite, öffnete die Balkontür und ging hinaus. Die Luft war noch morgendlich kühl, doch die Sonne schien bereits strahlend hell, und am Himmel klebten ein paar weiße Wolken wie Watteflocken. Ruhe lag über Fuchsbichl.
    Zuerst hatte Lea ihn nicht bemerkt. Doch plötzlich berührte ihr Fuß etwas Weiches. Sie erschrak und blickte nach unten.
    Als sie ihn dort liegen sah, bückte sie sich und nahm ihn in ihre Arme.
    Er war noch warm, der Kopf hing schlaff zur Seite, die rosa Zunge ragte aus dem kleinen Maul. Lea legte ihren Kopf an sein Herz. Es hatte aufgehört zu schlagen. Nur seine Augen funkelten noch ein wenig. Blau, wie Lea meinte, nicht gelb.
    »Kater, lieber Kater«, flüsterte sie. »Ich weiß, wo du jetzt bist. Ich hab dich gesehen.« Leise hauchte sie ihm ins Ohr. »Du bist auf dem Himmelsspitz.«
    Da begannen die Glocken zu läuten. Ihr heller Ton durchzog den Ort und kündete vom Abschied.
     
    Der Sommer neigte sich dem Ende zu. Die Wiesenblumen waren verblüht, die Nadeln der Lärchen verfärbten sich langsam. Durch die Lüfte segelten die zarten Fäden der Baldachinspinnen und vernetzten die Natur zu Gespinsten, die silbrig glitzerten, wenn die Sonne durch sie schien. Es seien die zarten Fäden der Muttergottes, hieß es in Fuchsbichl.
    Auf den Wiesen lag das Grummet, der Heuschnitt, zum Trocknen aus.
    Droben, auf den Almen bereitete man den Viehabtrieb vor. Die Hütebuben pflückten Alpenrosen, banden Gestecke für die Kühe und polierten die großen Glocken.
    An diesem Sonntag, an dem nicht nur der Sommer Abschied nahm, war das Wetter so, wie es an einem Spätsommertag schöner nicht hätte sein können. Der stürmische Nachtwind hatte sich verzogen und alle düsteren Wolken mit sich genommen. Der Himmel zeigte sein tiefstes Blau, die Sonne ließ die Zacken des Himmelsspitzes wie Kristalle glänzen. Die Luft, vom Regen der vergangenen Tage reingewaschen, hatte den Duft von Moos, Holz und Kräutern aufgenommen, sodass jeder, der an diesem Morgen aus dem Haus trat, sie erst einmal tief in seine Lungen sog. Fuchsbichl zeigte sich von seiner besten Seite: warm, friedlich, in sanftes Grün gebettet.
    Altweibertage wie solche hatte der Ort schon zahlreiche erlebt, dennoch war dieser Tag ein besonderer. Schön zwar, aber überdeckt von einem schweren Gefühl, das einen beim Abschied ereilt: leichtes Körperzittern, Schluchzen, das in der Kehle sitzt, dumpfes Grollen in der Magengegend.
    Drei Mal 80 Schläge tat die Zügenglocke, auf dass jeder in Fuchsbichl wissen sollte: Einer ist von Erden gegangen.
    An diesem Morgen stand Vinzenz vor Urbans altem Bauernschrank, dessen Schlüssel er

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