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Himmelsspitz

Himmelsspitz

Titel: Himmelsspitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Tramitz
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mir kemma, so lang, wie ich noch da bin.« Er legte den Stift zur Seite, stand auf, nahm Isabel den Kater aus dem Arm und bettete ihn auf ein Kissen hinter dem Ofen. »Luis also auch. Was für einen Tag hat er sich ausg’sucht, für seinen Fortgang. Alt ist er g’worden, sehr alt, aber man sagt ja, Katzen hätten sieben Leben.« Dann nahm er seinen Hut vom Haken. »Ich muss gehen, ein letztes Mal zum Kraxner Urban. Heut Nacht ist er fortgangen von uns.«
    »Ja, ich weiß es von der Frau Granbichler, schrecklich«, sagte Isabel.
    »Ja, ja, furchtbar ist das alles, was passiert ist am Kraxnerhof«, murmelte Fertl.
    »Gehst du auch fort?«, fragte Isabel. »Alles sieht so aus, als sei es jetzt schon verlassen.«
    Fertl nickte. »Mit der Agnes. Ich g’leit sie ins Tal, wo man ihr helfen kann mit ihrem Wahn. Der werd schlimmer und schlimmer. Jetzt, wo ihr Vater für immer fortgangen ist und es kein Hoffen mehr gibt, dass der Bub g’funden werd, jetzt wo sie den Bub Gott nimmer übergeben kann, schleichen noch mehr Dämonen in ihren Kopf. Wer weiß, was sie ihr noch alles zuflüstern. Er hat seiner Tochter so viel g’nommen, der Kraxnerbauer: die Mutter, die Liebe, den Buben und jetzt auch noch den Verstand. Geben hat er ihr nie was, kein Herz und keine Leich.« Fertl steckte das Taschentuch in die Hosentasche. »Hab g’hört, ihr fahrt’s heut zurück nach Hamburg.«
    »Ja, es ist besser so, du verstehst das doch, hab ich recht, Fertl?«
    Er nickte. »Grüß Lea schön, sie ist ein ganz besonderer Mensch.«
    »Ja, das ist sie.« Und nach einer kurzen Pause fügte sie tonlos hinzu: »So wie ihr Vater.«
    Sie reichte Fertl die Hand. »Leb wohl, lieber Fertl. Ich wünsch so, dass die Ärzte helfen können. Der Agnes. Und dir.«
    Als sie sich zum Gehen anschickte, hielt Fertl ihre Hand fest.
    »Wart, bleib einen Moment.« Er rückte ihr den Stuhl zurecht. »Kimm, setz dich. Ich möchte dir noch was gebn.«
    Er ging zur Kommode und holte ein kleines Kuvert aus der Schublade. »Hab’s für dich aufg’schriebn, ich glaub, das Schicksal wollt’s so haben«, sagte er zu Isabel. Dabei lächelte er müde. »Oder die droben, die Geister vom Tremplerhof. Weißt eh.« Dann reichte er ihr das Kuvert und sagte: »Und jetzt geh ich, weil Agnes braucht mich zu dieser Stund. Sicher sehen wir uns irgendwann mal wieder.« Seine Augen begannen zu leuchten. »Vielleicht auf dem Himmelsspitz.«
    »Ja, wir werden sehen«, antwortete Isabel. Dann drückte sie noch mal seine raue Hand. »Auf Wiedersehen, Fertl.«
    »Die Liebe, weißt, sie heilt am besten«, antwortete Fertl mit ruhiger Stimme. Dann verließ er die Stube.
    Isabel blieb eine Weile sitzen. Sie fühlte, was in dem Kuvert steckte. Was anderes als der Weg zu ihm? Der Gedanke daran ängstigte und beglückte sie zugleich.
    Sie holte tief Luft. Dann legte sie das Kuvert auf den Tisch und stand auf. Unruhig, wie ein gefangenes Tier ging sie auf und ab, angetrieben von den Erinnerungen, die sich wogenartig in ihr senkten und hoben. Erregung, Sehnsucht, Enttäuschung, Liebe, Verzweiflung. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie schob die Gardine zur Seite. Durch den wässrigen Schleier sah sie hinüber zum Hotel Himmelsspitz. Man hatte das Gepäck schon vor die Tür getragen. Lea saß auf einem Koffer, ihren Zeichenblock auf den Knien schien sie ins Malen versunken zu sein. Ach Lea, dachte Isabel, mein liebes Kind, wie nur hast du so viel erahnen können? Schaudernd ließ sie den Vorhang zurückfallen. Dann setzte sie sich wieder auf den Stuhl und beäugte das Kuvert wie eine gefährlich lockende Falle. Ihre Hände waren ineinander verschränkt, als wolle die eine verhindern, dass die andere voreilig tat, was Isabel so schwer entscheiden konnte.
    Sie fühlte ihr Herz pochen und Schwindel aufkommen. Welchen Weg würde sie beschreiten? Sie, zusammen mit Lea? Isabel schloss die Augen. Da tauchte er wieder auf. Wie damals war er an der Laterne gelehnt, sein betörendes Lächeln auf den Lippen. Er weitete die Arme. »Endlich seid ihr gekommen«, hörte sie ihn von Weitem rufen.
    »Warum bist du gegangen, ohne Abschied, ohne ein Wort?«, wollte Isabel zurückrufen, doch ihre Lippen waren wie zugenäht, und so eilte sie ihrem stummen Schrei hinterher, schneller und schneller, bis Julius zum Greifen nah war. Sie blickte in seine dunklen Augen, roch seinen Körper, öffnete die Arme und umklammerte ihn. Doch hatte sie nichts anderes als eisigen Windhauch an ihren Körper gedrückt, der sich

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