Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer
Unabhängigkeitskriegs einen enormen Aufschwung genommen; an der Ostküste Amerikas waren achtzigtausend Schiffe unterwegs und riskierten Tag für Tag Schiffbruch, weil sie keine exakte Kenntnis hatten von Strömungen, Windverhältnissen und Untiefen.
Es ist gewiss kein Zufall, dass am 10. Februar 1807, keine sechzehn Monate nach Hasslers Ankunft in Amerika, Senat und Repräsentantenhaus beschlossen,«eine Vermessung der Küsten der Vereinigten Staaten vorzunehmen, samt allen Inseln und Untiefen, sämtlichen Durchfahrten und Ankerplätzen innerhalb von zwanzig Leages von jedem Teilstück der Küste der Vereinigten Staaten (…)»
Mit dem Projekt selbst war Jefferson einverstanden. Nicht geheuer war ihm, dass ein Ausländer damit betraut werden sollte.«Die Einwanderer haben oft nahezu grenzenlose Erwartungen an unsere Ämter», beschied er einem von Hasslers Fürsprechern.«Andrerseits ist es richtig, dass gewisse Arbeiten nichts mit Vaterlandsliebe zu tun haben, weshalb man sie wohl einem verdienten und erfahrenen Fremden übertragen kann. Das mag im vorliegenden Fall so sein … »Am 21. Juli 1807 erhielt Ferdinand Hassler formell den Auftrag, die gesamte Küste der USA zu kartographieren.
Aber bevor er anfangen konnte, kam ihm schon wieder ein Krieg in die Quere. Zwischen den USA, England und Frankreich brach ein Handelskrieg aus, der den transatlantischen Handel zum Erliegen brachte. Zwanzigtausend Seeleute wurden arbeitslos, beidseits des Ozeans herrschte Wirtschaftskrise, und an kostspieligen Luxus wie das Erstellen von Landkarten war wiederum nicht mehr zu denken.
In der Not wurde Hassler Mathematikprofessor an der Militärakademie West Point, New York. Den eigentlichen Auftrag aber, die Küste der USA zu vermessen, verlor er nicht aus den Augen. Er schickte eine Liste der benötigten Instrumente nach Washington und fügte hinzu, dass«gute Instrumente niemals im Laden erhältlich sind, sondern auf Bestellung von den besten Mechanikern Londons angefertigt werden müssen». Zwar erkundigten sich die Vorgesetzten noch, was das alles denn kosten werde, und Hassler erbot sich, die Einkaufsreise nach London selbst zu unternehmen. Aber dann hörte er vier Jahre nichts mehr.
Erst Jeffersons Nachfolger James Madison erinnerte sich an Hassler und schickte ihn im August 1811 nach London, die Instrumente zu besorgen. Kaum aber war er in England eingetroffen, erklärten die USA England den Krieg und wollten Kanada erobern. In der Folge hatte Hassler, der längst US-Bürger war, in London einen schweren Stand. Die Mechaniker hatten es alles andere als eilig, dem Feind kriegswichtige Messinstrumente zu liefern. Die Behörden blockierten sein Salär. Und als die Instrumente endlich fertig waren, wurden sie beschlagnahmt. Vier Jahre dauerte der Krieg, und vier Jahre musste Hassler in London warten. Im dritten Jahr starb sein achtjähriger Sohn Alexander, im vierten gebar Marianne ihr achtes Kind, den kleinen Edward. Erst nach dem Friedensschluss von Gent kehrten die Hasslers, um ein Kind ärmer und um eines reicher, im August 1815 an Bord der Susan nach Amerika zurück, die Instrumente sorgsam im Bug verstaut.
Ferdinand Hassler war sechsundvierzig Jahre alt und aufs Neue voller Hoffnung. Fünfundzwanzig Jahre hatte er darauf gewartet, endlich wieder als Kartograph arbeiten zu dürfen; nun ging es im Oktober 1816, nur ein Jahr nach seiner Rückkehr nach Amerika und wenige Tage vor Ankunft Regula Engels in New York, endlich los. Hassler vermaß eine erste, sechs Meilen lange Basislinie in New Jersey, dann eine zweite von fünf Meilen auf Long Island. Er berechnete ein erstes Dreieck und fügte ein zweites an, dann ein drittes und ein viertes, arbeitete fleißig und mit nie erlahmender Sorgfalt. Im Februar 1817, nach nur fünf Monaten, ließ die US-Schatzkammer anfragen, wie viel Zeit Hassler für die Vermessung der Atlantikküste – die mit ihren zahlreichen Inseln und Buchten viele tausend Kilometer lang war – noch brauche. Die Politiker murrten, dass die ersten Siedler Amerikas in kürzester Zeit mit Kompass und Kette ganz ordentliche Landkarten gezeichnet hätten, während Hassler seit Monaten zugange sei und nichts weiter zustande gebracht habe als ein paar Dreiecke.
Hassler versuchte zu erklären, erläuterte die Wichtigkeit einer ersten, präzisen Triangulation, auf die sich alle weitere Kartographie stützen werde – vergeblich. Am 14. April 1818 beschloss der Kongress in aller Eile, ohne Diskussion und in
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