Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer
Pauli dafür mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln tatsächlich eine Lösung gefunden hat, müssen seine Karossen reißenden Absatz gefunden haben.
Damit hatte es aber ein Ende, als am 5. März 1798 über dreißigtausend französische Soldaten auf die Zähringerstadt zumarschierten, um für Napoleon Bonaparte den freien Zugang zu den Alpenpässen zu sichern und den sagenumwobenen Berner Staatsschatz zu rauben. An jenem Morgen stand Pauli in der Uniform eines Artilleriewachtmeisters in der Nähe seiner Schlosserei und erwartete den Feind vor den Toren der Stadt, die seit ihrer Gründung 1191 nie erobert worden war. Als einfacher Soldat konnte er nicht wissen, dass die Berner Patrizier, um ihre Besitztümer vor der Plünderung zu bewahren, sich heimlich schon am Tag zuvor mit dem französischen Befehlshaber, General Alexis Balthasar Henri Antoine de Schauenbourg, auf eine Kapitulation verständigt hatten. Während das bernische Heer nach einer letzten Schlacht im Grauholz in wilder Auflösung ins Oberland floh, bemächtigte sich Wachtmeister Pauli, der die Niederlage nicht hinnehmen wollte, einer Kanone und zweier Haubitzen und fuhr damit ins Rabbental zum Schänzli, ungefähr zu der Stelle, an der heute das Altersheim Wildermattpark steht, eröffnete das Feuer und streckte zwei französische Husaren nieder.«Es freut uns, melden zu können», heißt es in der Geschichte der Gemeinde Vechigen aus dem Jahr 1903,«dass der Wachtmeister Pauli, der auf dem Breitfelde den letzten Kanonenschuss auf die Franzosen abgab, ein Vechiger war.»Am Ausgang des Krieges freilich änderte Paulis Kanonade nichts mehr. Die französischen Regimenter zogen über die Nydeggbrücke in Bern ein und raubten wie geplant den Staatsschatz; dann eilten sie auf direktem Weg nach Toulon, um Bonaparte und die schwangere Regula Engel nach Ägypten zu begleiten.
Während Kartograph Ferdinand Hassler sich enttäuscht nach Aarau zurückzog, kehrte Samuel Pauli in seine Schlosserei zurück, um weiter seine selbstschmierenden Radnaben anzufertigen. Aber die Geschäfte gingen schlecht. Die alte Berner Obrigkeit hatte kein Geld – oder sie versteckte es gut -, und der junge helvetische Einheitsstaat, den Napoleon anstelle der alten Eidgenossenschaft hatte errichten lassen, befand sich ständig am Rand des Bankrotts. Da nun wenig Kutsche gefahren wurde, musste Pauli sich nach einem neuen Broterwerb umsehen.
Als Kanonier hatte er im Gefecht erfahren, wie hoffnungslos unterlegen die mittelalterlich schweren Berner Kanonen der leichten, mobilen Artillerie der Franzosen gewesen waren. Also entwarf er für die neue helvetische Armee leichte Geschütze auf geländegängigen Lafetten, für deren Transport man kein Ochsengespann, sondern nur ein Pferd oder ein paar kräftige Männer benötigte. Und da ihm die zahlreichen, im Krieg zerstörten Brücken aufgefallen waren, reichte er 1801 bei der Zentralregierung Pläne für eine neuartige Bogenbrücke aus Holz ein, die auch zweihundert Jahre später noch durch ihre zeitlose Schönheit besticht. Paulis Pläne wurden geprüft und für gut befunden. Für seine Bogenbrücke, die bei großer Tragfähigkeit von nie gesehener Eleganz war, erhielt er sogar zweihundert Franken aus der Staatskasse. Aber leider fehlte das Geld zur Ausführung – sowohl für Paulis Brücken als auch für die Kanonen.
Also wandte er sich wiederum einem neuen Betätigungsfeld zu. Als 1783 in Paris erstmals zwei Menschen die Schwerkraft überwanden und in einer Montgolfière gen Himmel stiegen, war er siebzehn Jahre alt gewesen. Man kann annehmen, dass das den jungen Mann beeindruckte und er bald eigene Pläne für ein Luftschiff ausheckte. Auch hier aber wollte er sich nicht mit einem Nachbau der Montgolfière begnügen, sondern setzte sich ein ehrgeiziges Ziel, das ihn bis ans Ende seiner Tage verfolgen sollte: Sein Luftschiff würde kein Spielball des Windes, sondern frei zu steuern sein wie eine Pferdekutsche oder ein Segelschiff – das erste von Menschenhand lenkbare Flugzeug der Welt.
Pauli hatte die Beobachtung gemacht, dass eine Holzkugel, wenn man sie in den Fluss wirft, sich um die eigene Achse dreht und hilflos in der Strömung torkelt, wohingegen ein Fisch diese durchschneidet und schwimmt, wohin er will. Wenn man also ein Luftschiff in Form eines Fisches bauen könnte, müsste dieses die Luftströmung genauso durchschneiden; hätte das Gefährt darüber hinaus eine Art Segel oder Luftruder als Antrieb, müsste man es
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