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Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Titel: Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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totaler Unkenntnis der Materie, die Kartographierung der Küste ab sofort Armee und Marine zu übertragen. Zivilist Hassler wurde entlassen – nach jahrzehntelanger Wartezeit und nur anderthalb Jahren Arbeit.
    Zum Trost erhielt er den Auftrag, bei der Ziehung der Grenze zu Kanada, die laut Friedensvertrag mit England auf dem 45. Breitengrad liegen sollte, die Interessen Amerikas zu vertreten. Hassler fuhr mit seiner Kutsche hinauf ins Grenzgebiet zwischen Vermont und Quebec, bestimmte den 45. Breitengrad – und kam in Übereinstimmung mit seinem kanadischen Kollegen zum unangenehmen Schluss, dass die Grenze eine Meile weiter südlich lag als bisher angenommen. Das war für die USA umso ärgerlicher, als sie kurz zuvor an der bisherigen Grenze, in Rouses Point am Champlainsee, ein großes Grenzfort gebaut hatten. Damit es nicht in die Hände Kanadas fiel, musste Hassler sich etwas einfallen lassen. Schließlich fand er die Lösung. Wenn man davon ausgehe, dass die Erde eine Kugel sei, teilte er dem Präsidenten mit, bleibe Rouses Point für die USA tatsächlich verloren. Laut neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen aber sei sie keineswegs rund, sondern ein an den Polen abgeplattetes Elipsoid. Deshalb komme der 45. Breitengrad streng genommen etwas weiter nach Norden zu liegen – also nicht eine Meile südlich, sondern zehn Meilen nördlich von Rouses Point.
    Washington war begeistert. Ottawa weniger.
    Es folgte ein endloses diplomatisches Tauziehen, das erst 1842 in einem Kompromiss endete. Die Grenze folgt seither weitgehend dem althergebrachten 45. Breitengrad, verschiebt sich aber bei Rouses Point um zehn Meilen nach Norden. Das Fort steht noch immer da und gehört für alle Zeit den USA.
    Zwar hatte Ferdinand Hassler damit das Territorium der USA um ein paar hundert Quadratmeilen ausgedehnt, aber gedankt wurde ihm das nicht, die Vermessung der Küste blieb Sache der Militärs. Dieser Undank erbitterte ihn sehr.«Ich habe keinen Ehrgeiz mehr», schrieb er nach Washington.«Ein Leben als Bauer scheint mir reizvoller als jedes andere; dieses Ziel hatte ich schon, als ich hierherkam, und habe es nur unter dem Zwang der Umstände aus den Augen verloren.»Er zog mit Gattin Marianne und den mittlerweile sieben Kindern in die Wildnis des Nordens, ins Grenzgebiet zu Kanada, wo das Klima rau, der Boden aber billig war, und kaufte am Ufer des Ontariosees eine Farm mit hundertsechsundsechzig Quadratkilometern Land. Er ließ Wald roden, schaffte große Rinderherden an und stellte Schweizer Bauern ein, die Milch zu Butter und Käse verarbeiteten, welche dann in Boston, Washington und New York verkauft werden sollten.
    Bei aller Liebe zum Landleben scheint Hassler aber nie so weit gegangen zu sein, selbst Hand anzulegen. Er kehrte oft und gern in die Zivilisation zurück, hielt Referate vor der Philosophischen Gesellschaft Philadelphias, verhandelte mit Politikern und pflegte den Austausch mit Wissenschaftlern. Zu ihrem Leidwesen blieb seine Frau Marianne, die in der Jugend so schön gesungen und Klavier gespielt hatte, dann jedes Mal allein unter Wölfen und Bären zurück. Eines Nachmittags im Sommer 1823, als ihr Gatte wieder einmal abwesend, sie selbst fünfzig Jahre alt und die Kinder irgendwo draußen waren, packte sie ihre Reisetasche und ging fort, nach fünfundzwanzig Ehejahren, um nie mehr zurückzukehren.
    Hassler war dreiundfünfzig Jahre alt und am Tiefpunkt seines Lebens angelangt – allein mit sieben Kindern auf einer unrentablen Farm und ohne Aussicht auf eine bessere Zukunft. Er kehrte der Wildnis den Rücken, ging zurück nach New York und nahm eine Stelle als Lehrer an. Neun Jahre lang schlug er sich mit wechselnden, schlecht bezahlten Jobs durch – bis am 10. Juli 1832, als er schon zweiundsechzig Jahre alt war, der Traum seines Lebens doch noch in Erfüllung ging: Der Kongress beschloss die Wiederaufnahme der Küstenvermessung. Und weil die Militärs in der Zwischenzeit nichts zustande gebracht hatten und in ganz Amerika kein besserer Kartograph zu finden war, wurde Hassler als Superintendent zu einem Jahresgehalt von dreitausend Dollar und zusätzlich tausendfünfhundert Dollar Unkostenpauschale engagiert. Diesmal wurde ihm jeder Wunsch erfüllt. Er erhielt neunzig Assistenten, vierzehn Theodoliten, fünfzehn Sextanten, zwanzig Uhren, zwanzig Messtische, zwanzig

    größere und kleinere Schiffe, fünfzig Zelte sowie ungezählte Fernrohre, Barometer und Pferdefuhrwerke. Solchermaßen ausgestattet,

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