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Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Titel: Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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Höhe steigen ließ. Im Juni und Juli 1888 gastierten sie in London und zeigten ihr einstündiges Spektakel an fünf Samstagen in Folge jeweils ab fünf Uhr nachmittags im Hyde Park – an jenem Ort also, an dem siebzig Jahre zuvor Samuel Pauli seinen Fliegenden Delphin gebaut hatte. Dann setzten sie auf den Kontinent über und zogen ostwärts bis nach Moskau, wo Spelterinis Ballon mit der frei unter ihm schwebenden Artistin am 24. Juli 1889 pünktlich um 20.45 Uhr vom Garten der Eremitage aus in den Abendhimmel stieg, sachte über die alte Zarenstadt zog und im Westen verschwand; geplant war, dass man nach einer Stunde landen und zurückkehren würde, aber nichts dergleichen geschah. Erst gegen Morgen wurde ruchbar, dass der Kapitän einen ersten Landungsversuch am Stadtrand von Moskau hatte abbrechen müssen, weil der Ballon von Betrunkenen angegriffen wurde. Auch als die Landung ein paar Kilometer weiter in einem Dorf namens Karacharovo schließlich gelang, mussten zwanzig Polizisten die Aeronauten gegen anstürmende Dörfler verteidigen. Der Ballon wurde arg in Mitleidenschaft gezogen, und darüber hinaus stahl bei dieser Gelegenheit jemand Leonas Garderobe, die aus allerlei bunten Strümpfen, paillettenbesetzten kurzen Röcken sowie bunten Blusen bestand.
    Nach der Russlandtournee trennten sich Leonas und Eduards Wege. Im November desselben Jahres tauchte der Kapitän allein in Bukarest auf, dann in Saloniki und Athen. Ende Februar 1890 traf er in Kairo ein, und am 4. März schwebte die«Urania»über die Pyramiden von Giseh, die Kalifengräber und die Moschee El Aschraf, um bei Ismailia nach einer beschwerlichen Schleppfahrt im Wüstensand zu landen; mit an Bord waren diesmal Generalmajor Dormer, der Oberbefehlshaber der britischen Truppen in Ägypten, sowie zwei Journalisten von Le Phare d’Alexandrie und Le Bosphore égyptien . Bei einem zweiten Flug drei Monate später von Alexandria aus gesellte sich zu den drei Passagieren im letzten Augenblick eine geheimnisvolle, mit einem baskischen Schleier verhüllte Dame hinzu, von der die Journalisten in ihren Berichten hinterher nur schreiben konnten, dass an ihr nichts groß gewesen sei, außer ihrem Mut und ihren entzückenden schwarzen Augen.
    Wer die kühne Passagierin gewesen sein könnte, hat man nie erfahren; bekannt ist nur, dass Spelterini im Hotel Khedive, wo er während seines Alexandriner Aufenthalts wohnte, die Bekanntschaft der russischen Reiseschriftstellerin Lydia Paschkoff machte. Diese war von altem Adel, hatte dem Vernehmen nach ganz entzückende schwarze Augen und scheint äusserst empfänglich für den männlichen Charme des Kapitäns gewesen zu sein. Noch im gleichen Jahr veröffentlichte die fünfundvierzigjährige Weltenbummlerin eine fiktive Novelle über einen erdichteten Ballonkapitän mit dem frei erfundenen Namen Edward Spell, der«ein schön gebauter, eleganter Mann in der Blüte seiner besten Jahre»sei. Mit seinem energischen Gesichtsaudruck und der Träumerstirn habe er im Hotel Khedive allgemeines Aufsehen erregt,«und obwohl Edward Spell nicht reich zu sein scheint, bewegt er sich doch mit Leichtigkeit in den Kreisen der Paschas, der Beys, der ägyptischen Banquiers, der griechischen Finanzleute, der italienischen Advokaten und der Vergnügungsreisenden aus allen Ländern. Besonders die Frauen bringen ihm grosses Wohlwollen entgegen; jede hat ein freundliches Auge und ein Lächeln für den seltsam anziehenden Mann. Dabei macht es aber nicht den Anschein, als ob er seine gesellschaftlichen Erfolge suchen würde; er gibt nur jedem die passende Antwort und schwebt ansonsten über dieser buntgemischten Gesellschaft wie ein Adler, der in einsamen Wolken seine Kreise zieht. In seinem Gesicht zeichnet sich ein starker Wille ab, und unter seinen Brauen leuchtet in manchen Augenblicken ein Blitz hervor, der ebenso einem kommandierenden Schiffskapitän wie einem Künstler gehören könnte, der grosse Pläne hat und fest entschlossen ist, diese durchzusetzen. Aber immer bleibt im Wesen Edward Spells etwas zurück, das niemand zu erraten vermag».
    Nach seinem ägyptischen Abenteuer kehrte Eduard Spelterini nach Europa zurück. In Neapel setzte er zu einem Flug über den Vesuv an, der in jenen Tagen viel Lava und Rauch spuckte. Kurz nach dem Start aber geriet der Kapitän in ablandig wehende Winde, so dass er die Fahrt weitab vom Vulkan in der Nähe von Capri im Tyrrhenischen Meer beendete, wo ihn ein Dampfschiff in den Wellen dümpelnd

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