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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Körper komplett neu geschaffen hatten, indem sie die gefrorene Leiche, die Svetlana ins Schiff gebracht hatte, als Vorlage benutzt hatten.
    Was auch immer die Aliens getan hatten, eines war sich Svetlana gewiss: Sie hatten ihnen Jim Chisholm zurückgegeben. Aber das Gesicht, in das sie geblickt hatte, war nicht das von Jim, sondern eher das eines jüngeren Bruders des Menschen gewesen, den sie einmal gekannt hatte. Und diesen jüngeren Bruder kannte sie überhaupt nicht.

 
Vierundzwanzig
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    Am neunten Tag erwachte Jim Chisholm aus dem Koma. Er öffnete die Augen und fragte die diensthabende Pflegerin – Judy Sugimoto –, ob er ein Glas Wasser haben könnte.
    Sugimoto weckte Axford. Der Arzt rieb sich noch den Schlaf aus den Augen, als Svetlana mit Parry im Schlepptau eintraf.
    »Wie fühlst du dich, Jim?«, fragte Axford, während Sugimoto ihm half, sich im Bett aufzusetzen, und seine Lippen befeuchtete.
    »Gut. Viel besser als vorher.« Er blickte in die misstrauischen Gesichter des Empfangskomitees. Neun Tage später hatte Axfords Nährlösung einige der Konturen an Chisholms Schädel weicher gemacht. Seine Kopfhaut war mit einem Schatten nachwachsender Stoppeln überzogen. Axford hatte darauf geachtet, ihm den Bart zu rasieren, genauso wie Chisholm es selbst immer getan hatte. Er lächelte entschuldigend. »Tut mir leid, wenn ich euch alle in Aufregung versetzt habe.«
    »Wir waren nicht in Aufregung, sondern nur besorgt«, sagte Svetlana. »Erinnerst du dich, was in Underhole geschehen ist?«
    Er atmete aus. »Oh ja. Als wäre es gestern gewesen. Was natürlich nicht den Tatsachen entspricht. Wie lange ist genau her?«
    »Neun Tage«, sagte Svetlana.
    »So fühlt es sich nicht an. Ich weiß noch, wie ich vom Himmel gefallen bin, wie ich am Tisch saß, wie ich dich mit Bella verwechselt habe …« Er schürzte die Lippen und wirkte beschämt. »Dafür möchte ich mich entschuldigen. Es ist nur so, dass ihr alle etwas älter ausseht, als ich mich erinnere. Und du hattest wirklich schon immer eine gewisse Ähnlichkeit mit Bella, Svetlana.«
    »Kein Problem, Jim«, sagte Svetlana und lächelte, damit er wusste, dass sie sich nicht beleidigt fühlte. Es war sehr seltsam, mit ihm zu sprechen – so seltsam, dass sie ehrlicherweise nicht behaupten konnte, dass es angenehm war. Sie befand sich auf unerkundetem emotionalem Territorium, und je weiter sie sich hineinwagte, desto mehr verwirrte sie die Situation. Es gab nichts, was sie auf diese Erfahrung hätte vorbereiten können. »Es ist einfach nur gut, dass du wieder bei uns bist«, sagte sie und hoffte, dass es aufrichtig klang.
    Chisholm nickte. »Es kann nicht halb so gut sein wie das Gefühl, tatsächlich wieder da zu sein. Und sich wieder gesund zu fühlen … Ich hätte nie gedacht, dass es eines Tages geschehen würde.« Er hob das Wasserglas zum Mund und hielt auf halber Strecke inne, um die zarte, haarlose Haut seiner Hand zu betrachten, die völlig frei von Runzeln und geplatzten Äderchen war. Svetlana glaubte zu sehen, wie er von einem leichten Schauder des Grauens geschüttelt wurde.
    »Sie haben dich wieder in Ordnung gebracht«, sagte sie.
    »Ich weiß. Sie haben es mir gesagt – oder mir irgendwie das Wissen darüber vermittelt, was sie getan haben, aber es wird mir erst nach und nach bewusst. Ich würde gerne darum bitten, dass mir jemand einen Spiegel bringt, irgendwann demnächst. Sie haben mein Gesicht verändert, nicht wahr?«
    »Sie haben die Uhr zurückgedreht«, sagte Svetlana, »das ist alles. Du siehst immer noch wie Jim Chisholm aus.«
    Er strich sich über den glatt rasierten Unterkiefer, wie jemand, der im Dunkeln einen Gegenstand ertastet, dann über sein stoppeliges Haar. »Ich bin mir nicht mehr so sicher, ob ich wirklich einen Spiegel haben möchte.«
    »Du siehst gut aus, Kumpel«, sagte Parry. »Du nimmst von Tag zu Tag zu. Du warst schon immer ein attraktiver Mistkerl. Schade, dass sie nichts daran geändert haben.«
    »Nur … schlanker und jünger, meinst du?« Chisholm lächelte wehmütig. »Nun, damit kann ich leben. Ich schätze, ich kann mit allem leben, wenn ich die Alternative bedenke. Ich möchte nicht undankbar sein für das, was mit mir geschehen ist.«
    »Wir sind leider nicht dafür verantwortlich«, sagte Parry.
    »Aber jemand muss den Mumm gehabt haben, mich in dieses Schiff zu bringen. Dazu sind gute Nerven nötig. Wer hat den Kürzesten gezogen?«
    »Ich habe dich hineingebracht«, sagte Svetlana.

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