Himmelssturz
deuten darauf hin, dass der Helm abgenommen wurde und die Umgebung sichere Werte aufweist. Doch es besteht die Möglichkeit, dass diese Daten nicht korrekt sind. Sie könnten in eine lebensgefährliche Situation geraten, wenn ich Sie freigebe. Sind Sie bereit, dieses Risiko einzugehen?«
»Ja. Mach auf! Lass mich raus!«
»Möchten Sie, dass ich Ihnen diese Frage erneut stelle, sollte sich eine ähnliche Situation ergeben?«
»Mach den Anzug einfach auf.«
»Bitte warten Sie einen Augenblick. Für den Fall, dass Sie den Öffnungsvorgang unterbrechen möchten, wird jede plötzliche Lautäußerung als Widerrufung des Befehls interpretiert. Wenn Sie den Vorgang nicht unterbrechen möchten, verzichten Sie bitte für die nächsten zehn Sekunden auf plötzliche Lautäußerungen. Ich öffne jetzt.«
Parry trat vom Anzug zurück. Er öffnete sich auf sehr ungewöhnliche Weise, ganz anders, als er erwartet hatte. Ein Riss erschien auf der Vorderseite des Halsrings und wurde breiter und länger, bis er den Brusttornister erreichte. Dort wich er zur Seite aus und lief links um die Kontrollsysteme herum. Darunter setzte er sich bis zum Schritt fort. Die zwei Hälften des oberen Anzugteils klappten seitlich weg, wobei die rechte Hälfte mit dem Brusttornister verbunden blieb. Unter dem Anzug war Chisholm nackt. Es gab keine Unterkleidung und keine sichtbaren Kontakte für Biodaten. Parry und Nadis zogen die Arme heraus und befreiten ihn dann vom unteren Teil des Anzugs. Seine Beine ließen sich mühelos herausziehen, obwohl der Anzug scheinbar fest auf der Haut anlag. Chisholms Körper war blass und völlig haarlos, auch im Genitalbereich, und ohne die Narben und anderen Spuren, die eine Berufslaufbahn im Weltraum zwangsläufig mit sich brachte. Er schien kein Gramm Fett angesetzt zu haben, sodass seine Rippen deutlich hervortraten. Jim Chisholm war zweiundfünfzig gewesen, als er gestorben war, aber dies hätte durchaus der Körper eines Mannes in den Zwanzigern sein können.
»Sie haben ziemlich gute Arbeit geleistet«, sagte Axford anerkennend, während die anderen den Bewusstlosen auf eine Passagierliege des Beiboots hoben.
»Du meinst, es geht ihm gut?«, fragte Svetlana.
»Er war tot, Svieta«, sagte Axford geduldig. »Alles andere kann nur eine Verbesserung seines Zustands sein.«
»Aber er hat mit uns gesprochen und … jetzt ist er wieder weggetreten.«
»Wir können nur die Daumen drücken, dass er wieder zu sich kommt«, sagte Axford.
»Daumen drücken? Mehr hast du nicht zu bieten?«
»Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, aber wenn du Wunder erwartest, bin ich der falsche Arzt.«
Dreimal täglich am Ende jeder achtstündigen Überwachungsschicht empfing Svetlana per E-Mail entweder von Axford persönlich oder einem seiner Assistenten einen zusammengefassten Bericht. Axfords vorläufige Diagnose hatte gelautet, dass Chisholm im Koma lag, obwohl es keine Anzeichen für schwere Schädigungen seines Zentralnervensystems gab. Der Arzt ernährte ihn per Infusion, aber stärkere Eingriffe erschienen ihm unangebracht. Das Fieber ließ langsam nach, auch wenn die Temperatur immer noch Anlass zur Sorge gab. Eine Tomografie erbrachte kein eindeutiges Ergebnis. Vom Glioblastom war nichts mehr zu erkennen, aber Chisholms Gehirn quoll über vor chemischer und elektrischer Aktivität, die den Blick auf den allgemeinen Zustand überdeckte.
Also beobachteten sie ihn, warteten und hofften.
Tage vergingen, die zu einer Woche wurden. Das Fieber verschwand. Axford führte weitere Tomografien durch und stellte fest, dass sich der Nebel lichtete. Vertraute Hirnstrukturen schälten sich aus dem Chaos. Das Blastom war tatsächlich nicht mehr da. Es war, als hätte es nie einen Tumor gegeben. Rund um die Stelle war das Gewebe in völliger Symmetrie wiederhergestellt. Axford verglich die neuen Aufnahmen mit den Ausdrucken in Chisholms Akte. Die neuen Bilder sahen aus, als würden sie von einem jüngeren Gehirn stammen, aus einer Zeit, als die Krankheit noch nicht ausgebrochen war. Nichts deutete mehr auf die Verformungen hin, die Chisholms Gehirn in den letzten Monaten erlitten hatte, bevor er zum Frostengel geworden war.
Axford hielt sich mit Hypothesen zurück. Er wollte keine Spekulationen anstellen, wie die Aliens die Krankheit geheilt hatten. Er wusste nur, dass sie das fehlende Nervengewebe einfach ergänzt hatten, wie Maurer, die ein Loch in einer Wand flickten. Es war auch denkbar, dass sie Chisholms
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