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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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schimpfen, weil jemand an ihrem hijab gezogen hatte. Dann ertönte aus der Gasse hinten ein Riesengeschepper: Die Mülltonne hatte endlich nachgegeben.
    Ich fixierte den Mann, der mir den Weg verstellte: »Bitte, lassen Sie mich durch.«
    Er schüttelte entschieden den Kopf. »Das ist Privateigentum.«
    »Ist Karim Bencharki da?«
    Erneutes Kopfschütteln.
    »Wissen Sie, wo er ist?«
    Achselzucken. »Vielleicht in der Moschee. Keine Ahnung. So, und jetzt verschwinden Sie, sonst rufen wir die Polizei.«
    Paul-Marie genoss die Szene. Seine raue Stimme übertönte den allgemeinen Radau. »Hab ich’s euch nicht gesagt? Hab ich’s euch nicht gesagt? Das musste ja eines Tages so kommen. Lasst diese Leute ins Land, und schon herrscht Anarchie. Vive la France!«
    Mehrere der Anwesenden stimmten mit ein. Aus einer anderen Ecke erhob sich ein Gegenchor. Jemand warf einen Stein.
    »Vive la France!«
    »Allahu akbar!«
    Das Bedrohlichste bei solchen Versammlungen ist, dass die Stimmung blitzschnell eskalieren kann. Der Widerhall des Hasses zieht uns wie in einem Strudel hinab. Später hörte ich viele Geschichten, es waren verwunderte und fast beschämte Berichte darüber, wie die Leute aufeinander losgingen, sich gegenseitig beschimpften und sich sogar prügelten. Dazu die zerbrochenen Fensterscheiben, die umgestürzten Mülltonnen, Diebstähle und Sachbeschädigungen. Wie Möwen, die sich auf einen Kadaver stürzen, so pickten sich die Tratschtanten irgendwelche Bruchstücke der Wahrheit heraus und machten das allgemeine Chaos damit noch schlimmer: Reynaud war von den Maghrebinern ermordet worden. Reynaud hatte komplett den Verstand verloren und jemanden umgebracht. Reynaud hatte einen Maghrebiner getötet, allerdings in Notwehr. Die Maghrebiner hatten ein französisches Mädchen entführt und hielten es im Gym gefangen. Die Flussleute arbeiteten mit maghrebinischen Drogenhändlern zusammen. Reynaud hatte versucht, die Moschee in die Luft zu sprengen, und wurde nun bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten. Auf beiden Seiten kursierten immer wildere Gerüchte. Und wenn die Leute ihre Parolen skandierten, klangen diese wie Schlachtrufe:
    »Allahu akbar!«
    »Vive la France!«
    In Lansquenet gibt es kein Polizeirevier. Wir brauchen so etwas normalerweise nicht. Gibt es mal ein Problem, dann bleibt es meist dem Dorfpriester überlassen, es zu lösen. Aber ich glaube, Père Henri hätte nicht eingegriffen, selbst wenn er hier gewesen wäre. Francis Reynaud hätte vielleicht eher gewusst, was tun. Reynaud, der ohne Rücksicht auf Gesetze oder politische Korrektheit anderen gern eins über die Rübe haut, die Leute am Schlafittchen packt und mit genauso großem Vergnügen Beleidigungen austeilt wie Ave-Maria. Doch Reynaud war verschwunden, und Père Henri predigte gerade in Pont-le-Saôul.
    Noch ein Stein flog durch die Luft. Er traf einen der Männer vor mir, der rückwärtstaumelte, die Hand am Kopf. Blut tropfte durch seine Finger.
    »Scheiß-Maghrebiner! Haut ab!«
    »Franzosenschweine! Hurensöhne!«
    Ich versuchte, mich an den Männern vorbei in das Gym zu quetschen, aber sie waren zu zahlreich. Der Typ, den der Stein getroffen hatte, sah mit seinem blutüberströmten Gesicht zwar ziemlich mitgenommen aus, aber seiner Fraktion hatten sich längst noch mehr Männer angeschlossen. Wieder flog ein Stein, ein Fenster klirrte hoch über dem Eingang zum Gym.
    Jemand drängte sich durch die Menge, und zu meiner großen Erleichterung hörte ich Roux’ Stimme neben mir. »Was ist hier los?«
    »Wo sind die Kinder?«
    »Auf dem Boot, sie sind in Sicherheit. Aber was ist mit Reynaud?«
    Hinter uns auf dem Boulevard hatte sich ein Ton über das allgemeine Getöse gelegt, ein hohes, dünnes Geheul, unheimlich und durchdringend. Ich kannte dieses Geräusch von früher, ich hatte es schon öfter gehört: in Tanger, bei Begräbnissen und Demonstrationen. Aber in Lansquenet –
    »Er ist im Keller des Gyms eingesperrt«, sagte ich. »Wir müssen ihn da rausholen.«
    »Ach, ehrlich? Müssen wir das? Seit wann bist du für ihn verantwortlich?«
    »Bitte!« Ich versuchte den Krach zu übertönen. »Hilf mir. Ich schaffe das nicht allein. Ich erkläre dir alles später.«
    Und dann trat eine Gestalt aus dem Studio, die ich erkannte. Bärtig, weiß gekleidet, ein ernster Blick. Saïd Mahjoubi musterte uns mit versteinerter Geringschätzung.
    »Das ist ein Skandal! Was wollen Sie hier?«
    Inès trat neben mich und versuchte, die Lage auf

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