Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
miteinander. Wir amüsieren uns immer noch. Nur wir zwei, ins Bett gekuschelt, Pantoufle ein undeutlicher Schatten am Rand, und über den Bildschirm des tragbaren Fernsehers flackern geheimnisvolle Bilder, die sich in den dunklen Fenstern spiegeln, während Rosette mit Roux draußen auf dem Deck sitzt und in der stillen Seine Sterne angelt.
Roux hat am Vatersein Gefallen gefunden. Das hätte ich so nicht erwartet. Aber Rosette – acht Jahre alt und ihm wie aus dem Gesicht geschnitten – holt etwas aus Roux heraus, was weder Anouk noch ich vorhersehen konnten. Ja, es gibt sogar Zeiten, da denke ich, Rosette gehört mehr zu Roux als zu sonst jemandem. Die beiden haben eine Geheimsprache – sie hupen, tröten, pfeifen –, in der sie sich stundenlang unterhalten können und an der niemand sonst teilhat, nicht einmal ich.
Ansonsten spricht meine kleine Rosette nicht besonders viel. Mit niemandem. Sie mag die Gebärdensprache lieber, die sie als kleines Kind gelernt hat und perfekt beherrscht. Sie zeichnet gern, sie mag Zahlen, das Sudoku hinten auf Le Monde löst sie im Handumdrehen, und sie kann lange Zahlenreihen addieren, ohne sie aufzuschreiben. Wir haben versucht, sie in die Schule zu schicken, aber nur ein einziges Mal, und das war ein Fehlschlag. Die Schulen hier sind zu groß und zu unpersönlich, um mit einem Sonderfall wie Rosette entsprechend umgehen zu können. Jetzt unterrichtet Roux sie. Sein Lehrplan ist eigenwillig, die Betonung liegt auf Kunst, Vogelstimmen und Zahlenspielen, und Rosette gefällt das sehr. Sie hat natürlich keine Freunde – außer Bam –, und manchmal sehe ich, wie sie den Kindern, die auf dem Schulweg hier vorbeikommen, neugierig und zugleich sehnsüchtig nachschaut. Aber insgesamt ist Paris gut für uns, gerade mit seiner Anonymität. An Tagen wie heute spüre ich allerdings, dass ich, genau wie Anouk, genau wie Rosette, mir irgendwie mehr wünsche. Mehr als ein Boot auf einem Fluss, der stinkt, mehr als einen großen Kessel voll abgestandener Luft, mehr als einen Dschungel aus Hochhäusern und Türmen. Mehr als die winzige Bordküche, in der ich meine Pralinen mache.
Mehr. Ach, dieses Wort. Dieses trügerische Wort. Dieser Lebensfresser. Die Unzufriedenheit, die einem den letzten Nerv raubt. Ein Verlangen nach – ja, wonach eigentlich?
Dabei gefällt mir mein Leben. Ich bin glücklich mit dem Mann, den ich liebe. Ich habe zwei wunderbare Töchter und einen Beruf, für den ich wie geschaffen bin. Das Geld ist nicht üppig, aber was ich verdiene, reicht, um den Anlegeplatz zu bezahlen. Roux arbeitet als Maurer und Zimmermann, und damit kommen wir vier ganz gut über die Runden. Alle meine Freunde vom Montmartre sind hier: Alice und Nico, Madame Luzeron, Laurent vom kleinen Café, Jean-Louis und Paupaul, die Maler. Ich habe sogar meine Mutter in der Nähe, die Mutter, die ich so viele Jahre verloren glaubte.
Was soll ich mir sonst noch wünschen?
Angefangen hat es vor ein paar Tagen in der Bordküche. Ich machte gerade Trüffel. In der Hitze kann man außer Trüffeln nichts machen, bei allen anderen Pralinen droht die Schokolade zu verderben, entweder durch die Kühlung oder von der Hitze, die überall hinkommt. Die Kuvertüre auf dem Blech vorbereiten, sie auf der Herdplatte sanft erhitzen, Gewürze dazugeben, Vanille und Kardamom. Den perfekten Moment abwarten, der diesen einfachen Vorgang in Zauberei verwandelt.
Was könnte ich mir sonst noch wünschen?
Na ja, vielleicht ein bisschen frische Luft, eine leichte Brise – wie ein gehauchter Kuss im Nacken, wo meine Haare, zu einem improvisierten Knoten zusammengesteckt, mich schon piksen in der Sommerhitze.
Nur eine Minibrise. Was kann sie schon schaden?
Und schon habe ich den Wind gerufen – nur ganz leise. Einen warmen, verspielten, leichten Wind, der die Katzen aufscheucht und die Wolken jagt.
V’là l’bon vent, v’là l’joli vent,
V’là l’bon vent, ma mie m’appelle –
Es war nicht viel, nur dieser Windhauch und ein Glitzern, wie ein Lächeln in der Luft, das den fernen Duft von Pollen und Gewürzen und Honigkuchen mit sich bringt. Eigentlich wollte ich nur die Wolken vom Sommerhimmel bürsten und das Aroma anderer Gegenden in meinen Winkel der Welt locken.
V’là l’bon vent, v’là l’joli vent –
Überall an der Rive Gauche flatterten die Schokoriegelpapiere durch die Luft wie Schmetterlinge, und der verspielte Wind zupfte am Rock einer Frau, die gerade den Pont des Arts überquerte, eine
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