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Himmlische Wunder

Himmlische Wunder

Titel: Himmlische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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graues Wesen, das neben dem Topf sitzt, ein Schatten mit Schnurrhaaren und einem Schwanz –
    »Also? Kommst du – oder kommst du nicht?«

13

    M ONTAG , 24 . D EZEMBER
    Heiligabend, 23 Uhr 05
    »Ich habe auf demselben Flur gewohnt wie Jeanne Rocher.« Sie hatte die typisch abgehackten Vokale der Pariserin. Als würde man mit Stilettoabsätzen auf die Wörter treten. »Sie war ein bisschen älter als ich und verdiente sich ihr Geld damit, dass sie Karten legte und den Leuten half, das Rauchen aufzugeben. Ich ging einmal zu ihr, ein paar Wochen bevor meine Tochter entführt wurde. Sie sagte, ich hätte mir überlegt, sie zur Adoption freizugeben. Ich habe sie als Lügnerin beschimpft. Aber es stimmte.«
    Mit düsterer Miene fuhr sie fort: »Es war eine Einzimmerwohnung in Neuilly-Plaisance. Eine halbe Stunde von der Innenstadt. Ich hatte einen alten 2 CV , zwei Kellnerinnen-Jobs in meinem Viertel, und manchmal bekam ich von Sylvianes Vater ein paar Francs. Ich hatte inzwischen begriffen, dass er sich nie und nimmer von seiner Ehefrau trennen würde. Ich war einundzwanzig, und mein Leben war zu Ende. Das bisschen, was ich verdiente, musste ich für die Tagesmutter bezahlen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Es war ja nicht so, dass ich mein Kind nicht geliebt habe.«
    Ganz kurz sehe ich den kleinen silbernen Katzen-Talisman vor mir. Irgendwie ist er rührend, der kleine silberne Glücksbringer mit dem roten Band. Hat Zozie ihn ebenfalls gestohlen? Wahrscheinlich schon. Ich nehme an, dass sie Madame Caillou damit getäuscht hat.
    »Und zwei Wochen später ist sie dann verschwunden.« Ihr Gesicht wurde beim Gedanken an die Tragödie ganz weich. »Ich habe sie höchstens zwei Minuten aus den Augen gelassen, länger nicht.Ich bin mir sicher, Jeanne Rocher hat mich beobachtet und den richtigen Zeitpunkt abgepasst. Als ich bei ihr vorbeigehen wollte, war sie schon auf und davon, aber ich hatte natürlich keine Beweise. Ich habe mich immer gefragt –« Sie wandte sich mir zu, mit strahlender Miene. »Und dann habe ich Ihre Freundin Zozie kennengelernt, mit ihrer kleinen Tochter, und da wusste ich es – ich habe es gleich gewusst –«
    Ich schaute die fremde Frau an, die da vor mir stand. Eine durchschnittliche Frau um die fünfzig. Sie sieht ein bisschen älter aus, und ihre gezupften Augenbrauen hat sie mit einem feinen Strich nachgezeichnet. Ich hätte ihr tausendmal auf der Straße begegnen können und wäre an ihr vorbeigegangen, ohne auf die Idee zu kommen, dass es zwischen uns eine besondere Verbindung geben könnte. Aber jetzt blickte sie mich an, mit dieser fürchterlichen Hoffnung in den Augen, und das ist die Falle, ich weiß es genau, und ich weiß auch, dass mein Name nicht meine Seele ist.
    Aber ich kann das nicht, ich kann sie unmöglich in dem Glauben lassen, dass –
    Ich lächelte sie an. »Jemand hat sich einen grausamen Scherz mit Ihnen erlaubt. Zozie ist nicht Ihre Tochter. Gleichgültig, was sie Ihnen erzählt hat, sie ist es nicht. Und was Vianne Rocher angeht –«
    Ich verstummte. Roux ließ sich nichts anmerken, aber er tastete nach meiner Hand und drückte sie. Thierry schaute mich ebenfalls an. Und in dem Moment wusste ich, dass ich keine andere Wahl hatte. Ein Mensch, der keinen Schatten wirft, ist nicht wirklich ein Mensch, und eine Frau, die ihren Namen aufgibt …
    »Ich erinnere mich an den roten Plüschelefanten. An die Decke mit dem Blümchenmuster. Ich glaube, sie war rosa. Und der kleine Bär hatte schwarze Knopfaugen. Und dann war da noch der kleine silberne Anhänger, eine Katze mit einem roten Band –«
    Jetzt schaute die Frau mich an, und ihre Augen unter den nachgezogenen Augenbrauen waren ganz hell.
    »Ich habe sie alle immer bei mir gehabt. Der Elefant wurde im Laufe der Zeit immer heller. Schließlich war er so abgenutzt, dassdie Füllung herausquoll, aber ich habe ihr nicht erlaubt, ihn wegzuwerfen. Ich hatte kein anderes Spielzeug, und ich hatte diese Sachen immer in meinem Rucksack, und die Tiere durften die Köpfe herausstrecken, damit sie Luft bekamen.«
    Alle schwiegen. Die Frau atmete stoßweise.
    »Sie hat mir beigebracht, wie man Handlinien liest«, sagte ich. »Und Tarotkarten. Und Teeblätter und Runen. Ich habe ihre Karten immer noch in einer Kiste oben. Ich benutze sie nicht oft, und sie sind auch kein richtiger Beweis, aber sonst habe ich nichts mehr von ihr.«
    Sie starrte mich unverwandt an, mit geöffneten Lippen, und auf ihrem Gesicht spiegelten

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