Himmlische Wunder
selbstverständlich auf alles vorbereitet. Mit dezenten Andeutungen, mit subtilem Charme und Zauber und mit den erprobten chemischen Substanzen habe ich sie für diesen Moment der Offenbarung präpariert, und jetzt braucht es nur noch einen Namen, dann platzt die Piñata auf wie eine Kastanie im Feuer …
Vianne Rocher .
Tja, das ist mein Stichwort. Entspannt stehe ich da, mir bleibt noch genug Zeit für einen letzten feierlichen Schluck Champagner, ehe sich alle Augen auf mich richten – hoffnungsvoll, ängstlich, wütend, bewundernd –, denn gleich werde ich mir meine Siegesprämie einfordern.
Ich lächle. »Vianne Rocher? Das bin ich.«
11
M ONTAG , 24 . D EZEMBER
Heiligabend, 23 Uhr 00
Sie muss meine Papiere gefunden haben. In der Kiste meiner Mutter. Dann ist es kein Problem mehr, ein Konto auf meinen Namen zu eröffnen, einen neuen Pass zu beantragen, einen Führerschein, alles, was sie braucht, um Vianne Rocher zu werden. Sie sieht ja inzwischen sogar aus wie ich. Und sie hat Roux als Köder benutzt, um meine Identität auf eine Art zu verwenden, die uns dann irgendwann als Kriminelle abstempelt.
Ja, jetzt sehe ich die Falle. Zu spät durchschaue ich, was sie vorhat – wie immer in solchen Geschichten. Sie will mich zwingen, meine Karten offenzulegen, mich zu entblößen, damit sie mich wegpusten kann wie ein Blatt im Wind, verfolgt von neuen Furien.
Aber was ist schon ein Name? frage ich mich. Kann ich mir nicht einen neuen Namen aussuchen? Kann ich ihn nicht ändern, wie schon so oft, und Zozies Bluff aufdecken und sie zwingen zu gehen?
Thierry starrt sie fassungslos an. »Sie?«
Sie zuckt die Achseln. »Wundert Sie das?«
Die anderen sind völlig entgeistert.
»Sie haben das Geld gestohlen? Sie haben die Schecks eingelöst?«
Anouk ist totenbleich.
Nico meldet sich zu Wort. »Das kann nicht stimmen!«
Madame Luzeron schüttelt nur den Kopf.
»Zozie ist unsere Freundin«, flüstert die kleine Alice und wirdfeuerrot vor Schreck darüber, dass sie es tatsächlich wagt, vor so vielen Menschen den Mund aufzumachen. »Wir sind ihr alle zu Dank verpflichtet und –«
Jean-Louis mischt sich ein. »Ich habe ein Auge für Fälschungen und Betrug«, sagt er. »Und Zozie ist keine Fälschung, das schwöre ich.«
Aber jetzt spricht Jean-Loup. »Doch, es stimmt – ihr Bild war in der Zeitung. Sie kann sehr gut ihr Gesicht verändern, aber ich habe sie trotzdem erkannt. Meine Fotos –«
Zozie mustert ihn mit einem giftigen Lächeln. »Natürlich stimmt es. Alles stimmt. Ich hatte schon mehr Namen, als ich zählen kann. Ich habe mein ganzes Leben über von der Hand in den Mund gelebt. Ich hatte weder ein richtiges Zuhause noch eine Familie noch ein Geschäft oder sonst irgendetwas von den Dingen, die Yanne hier hat.«
Und nun wirft sie mir ein Lächeln zu, das verglüht wie eine Sternschnuppe, und ich kann nicht sprechen, kann mich nicht rühren, weil ich, genau wie alle anderen, von ihr gefesselt bin. Die Faszination ist so stark, dass ich das Gefühl habe, ich hätte Drogen genommen, mein Kopf summt wie ein Bienenkorb, die Farben im Zimmer verschwimmen, und auf einmal dreht sich alles wie ein Karussell.
Roux hält mich fest, damit ich nicht umkippe. Er ist anscheinend der Einzige, den diese Welle allgemeiner Fassungslosigkeit nicht ergriffen hat. Ich nehme vage wahr, dass Madame Rimbault – Jean-Loups Mutter – mich anstarrt. Ihr Gesicht ist ganz verkniffen vor lauter Empörung, bis in die Wurzeln ihrer gefärbten Haare. Man merkt, dass sie gehen möchte, aber auch sie ist wie gelähmt und will Zozies Geschichte hören.
Lächelnd fährt Zozie fort: »Man könnte sagen, ich bin eine Abenteurerin. Seit ich denken kann, lebe ich von meiner Klugheit, ich spiele, stehle, bettle, betrüge. Etwas anderes kann ich nicht. Ich habe keine Freunde, es gab nie einen Ort, den ich so gern hatte, dass ich bleiben wollte –«
Sie schweigt, und ich kann den Glamourzauber in der Luft fastspüren, die Räucherstäbchen, den Glitzerstaub, und ich weiß, dass sie das Publikum auf ihre Seite ziehen wird, dass sie alle um den kleinen Finger wickeln kann.
»Aber hier habe ich endlich ein Zuhause gefunden. Ich habe Menschen gefunden, die mich gern haben, Menschen, die mich so mögen, wie ich bin. Ich dachte, ich könnte mich hier neu orientieren, aber alte Gewohnheiten kann man nicht von einem Tag zum anderen ablegen. Es tut mir schrecklich leid, Thierry. Ich werde Ihnen das Geld zurückzahlen.«
Und
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