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Himmlische Wunder

Himmlische Wunder

Titel: Himmlische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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er kaputtgegangen, oder wir haben ihn irgendwo vergessen. Aber das ist nicht mehr wichtig. Ich trinke sowieso keine Schokolade mehr.
    »Suzanne sagt, ich bin komisch«, sagte ich, als Maman wieder in die Küche kam.
    »Bist du nicht«, sagte sie und kratzte eine Vanilleschote aus. Die Schokolade war fast fertig und köchelte leise im Topf. »Willst du was davon? Sie wird lecker.«
    »Nein, danke.«
    »Gut.«
    Sie goss Rosette eine Tasse ein, gab Schokostreusel oben drauf und einen Löffel Schlagsahne. Die Schokolade sah sehr gut aus und roch sogar noch besser, aber ich wollte mir nichts anmerken lassen. Ich schaute in den Schrank und fand ein halbes Croissant vom Frühstück und ein bisschen Marmelade.
    »Beachte sie am besten gar nicht«, sagte Maman und goss sich Schokolade in eine Espressotasse. Ich merkte, dass weder sie noch Rosette Thierrys Chocolat -Becher verwendeten. »Ich kenne solche Mädchen. Such dir lieber eine andere Freundin.«
    Das ist leichter gesagt als getan, dachte ich. Außerdem, was würde das bringen? Sie wollen alle miteinander nicht meine Freundinnen sein. Ich habe die falschen Haare, die falschen Klamotten, das falsche Ich.
    »Wen zum Beispiel?«, fragte ich.
    »Das weiß ich doch nicht.« Sie klang ungeduldig, während sie die Gewürze in den Schrank zurückstellte. »Es muss doch irgendjemanden geben, mit dem du dich verstehst.«
    Es ist nicht meine Schuld, wollte ich sagen. Warum denkt sie, ich bin diejenige, die Schwierigkeiten macht? Das Problem ist, dass Maman selbst nie richtig in die Schule gegangen ist – sie hat durch praktische Erfahrung gelernt, sagt sie immer –, und alles, was sie über die Schule weiß, stammt aus Kinderbüchern, oder sie hat es von der anderen Seite des Schulhofzauns beobachtet. Aber wenn man drin steckt, ist nicht alles nur ein lustiges Hockeyspiel.
    »Also?« Immer noch die Ungeduld, dieser Ton, der so viel heißt wie, Du solltest dankbar sein, ich habe hart gearbeitet, um mit dir hierher zu kommen und dich auf eine ordentliche Schule zu schicken, weil ich dich vor dem Leben bewahren will, das ich hatte .
    »Kann ich dich etwas fragen?«
    »Natürlich, Nanou. Was gibt’s?«
    »War mein Vater schwarz?«
    Sie zuckte zusammen, aber nur ein kleines bisschen, und es wäre mir sicher nicht aufgefallen, wenn ich es nicht in ihren Farben gesehen hätte.
    »Das sagt Chantal.«
    »Wirklich?«, sagte Maman und schnitt für Rosette eine Scheibe Brot ab. Brot, Messer, Schokoladencreme. Mit ihren kleinen Affenfingern drehte Rosette die Brotscheibe hin und her. Maman schaute unglaublich konzentriert. Ich konnte nicht sehen, was sie dachte. Ihre Augen waren so dunkel wie die Nacht.
    »Ist das wichtig?«, fragte sie schließlich.
    »Keine Ahnung.« Ich zuckte die Achseln.
    Da schaute sie mich an, und eine Sekunde lang sah sie fast aus wie die alte Maman, die Maman, der es völlig egal war, was andere Leute dachten.
    »Weißt du was, Anouk?«, sagte sie bedächtig. »Ich habe lange geglaubt, du brauchst gar keinen Vater. Ich dachte, es reicht, wenn wir zwei zusammen sind, so wie meine Mutter und ich. Und dann kam Rosette, und ich habe gedacht, tja, vielleicht –« Sie unterbrach sich, lächelte und wechselte dann so schnell das Thema, dass ich zuerst gar nicht begriff, dass sie es in Wirklichkeit gar nicht gewechselt hatte, wie bei diesem Jahrmarkttrick mit den drei Hütchen und dem Würfel. »Du magst Thierry, stimmt’s?«, sagte sie.
    Ich zuckte wieder die Achseln. »Er ist okay.«
    »Er mag dich nämlich auch –«
    Ich biss das Ende meines Croissants ab. Rosette in ihrem Kinderstuhl verwandelte ihr Brot in ein Flugzeug.
    »Ich meine, wenn eine von euch beiden ihn nicht mögen würde –«
    Eigentlich mag ich ihn nicht besonders. Er ist zu laut, und er riecht nach Zigarren. Und er unterbricht Maman immer, wenn sie redet, und mich nennt er jeune fille , als wäre das ein Witz, und Rosette versteht er überhaupt nicht, er kapiert nie, was sie will, wenn sie ihm ein Zeichen macht, und er benützt immer lange Wörter und erklärt sie mir dann, als hätte ich sie noch nie gehört.
    »Er ist okay«, sagte ich noch einmal.
    »Also, Thierry will mich heiraten.«
    »Seit wann?«, fragte ich.
    »Das erste Mal hat er letztes Jahr davon gesprochen. Ich habe ihm geantwortet, dass ich im Moment keine Beziehung möchte – ich musste mich um Rosette kümmern und um Madame Poussin – und er meinte dann, er ist gern bereit zu warten. Aber jetzt sind wir allein –«
    »Du

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