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Himmlische Wunder

Himmlische Wunder

Titel: Himmlische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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trotz all seiner Wärme, trotz all seiner Liebe, dem Wind nicht gewachsen war.
    »Ich möchte die Chocolaterie nicht verlieren«, sagte ich zu ihm (oder vielleicht auch zum Wind). »Ich muss sie behalten. Ich brauche sie, sie muss mir gehören.«
    Thierry lachte. »Ist das alles?«, fragte er. »Dann heirate mich, Yanne.« Er grinste begeistert. »Du kannst so viele Chocolaterien haben, wie du willst, und auch so viel Schokolade, wie du nur möchtest. Du wirst immer nach Schokolade schmecken. Du wirst sogar danach riechen – und ich auch –«
    Ich musste wieder lachen. Da nahm Thierry meine Hände und wirbelte mich auf dem trockenen Kies herum, und Rosette gluckste vor Vergnügen.
    Vielleicht habe ich es deswegen gesagt. Ein Augenblick ängstlicher Spontaneität, und ich hatte immer noch den Wind in den Ohren und die Haare im Gesicht, und Thierry hielt mich fest, flüsterte Ich liebe dich, Yanne in meine Haare, und seine Stimme klang beinahe so, als hätte er Angst.
    Er hat Angst, mich zu verlieren , dachte ich plötzlich, und das war der Moment, als ich es sagte, und ich wusste genau, dass es kein Zurück mehr gab. Ich hatte Tränen in den Augen, meine Nase war rot und lief wegen der winterlichen Kälte.
    »Gut«, sagte ich. »Aber in aller Stille.«
    Seine Augen wurden groß, weil es so unerwartet kam.
    »Bist du dir sicher?«, fragte er atemlos. »Ich dachte, du willst – du weißt schon.« Er grinste wieder. »Das Kleid. Die Kirche. Der Chor. Die Brautjungfern. Glocken. Die ganze Zeremonie.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Keine Umstände«, sagte ich.
    Er küsste mich wieder. »Solange die Antwort ein Ja ist.«
    Und für einen Moment war alles so wunderschön, der süße Traum in meiner Hand. Thierry ist ein guter Mann, dachte ich. Ein Mann mit Wurzeln, mit Prinzipien.
    Und mit Geld, Vianne, vergiss das nicht , sagte die boshafte Stimme in meinem Kopf, aber sie war leise und wurde immer leiser, während ich mich dem kleinen, süßen Traum hingab. Sie soll bleiben, wo sie ist, dachte ich. Und der Wind genauso. Diesmal wird er uns nicht wegpusten.

7

    F REITAG , 9 . N OVEMBER
    Heute habe ich mich wieder mit Suze gestritten. Keine Ahnung, warum das so oft passiert. Eigentlich möchte ich ja gut mit ihr auskommen, aber je mehr ich mich bemühe, desto schwerer wird es. Diesmal ging’s um meine Haare. Oh, Mann. Suze findet, ich soll sie glätten lassen.
    Ich fragte sie, wieso.
    Sie zuckte die Achseln. Es war in der großen Pause, wir waren allein in der Bibliothek – die anderen rannten draußen herum und kauften sich irgendwelche Süßigkeiten. Ich wollte ein paar Geografienotizen abschreiben, aber Suze hatte Lust zu quasseln, und wenn sie so drauf ist, kann niemand sie bremsen.
    »Weil deine Haare komisch aussehen«, sagte sie. »So afromäßig.«
    Mir ist das egal, und genau das sagte ich auch.
    Suze zog einen Fischmund, wie immer, wenn ihr jemand widerspricht. »Dein Vater war doch nicht schwarz, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf und kam mir vor wie eine Lügnerin. Suzanne denkt, mein Vater ist tot. Aber es könnte gut sein, dass er schwarz ist. Ich habe keine Ahnung. Vielleicht war er auch Pirat oder ein Serienmörder oder ein König.
    »Die Leute könnten nämlich denken –«
    »Wenn du mit ›die Leute‹ Chantal meinst –«
    »Nein, überhaupt nicht«, sagte Suzanne ärgerlich, aber ihr rosarotes Gesicht lief noch ein bisschen röter an, und sie konnte mir nicht in die Augen sehen. »Weißt du, du bist neu hier an der Schule«, fuhr sie fort und legte mir den Arm um die Schulter. »Wir kennen dich noch nicht so richtig. Wir sind alle zusammen in die Grundschule gegangen und haben gelernt, wie man sich einfügt.«
    Wie man sich einfügt . Ich hatte mal eine Lehrerin, Madame Drou, damals, in Lansquenet, und die hat das auch immer gesagt.
    »Aber du bist irgendwie anders«, sagte Suze. »Ich will dir ja nur helfen –«
    »Wie willst du mir helfen?«, blaffte ich sie an. Ich dachte an meine Geografienotizen und dass ich nie, nie machen kann, was ich will, wenn Suze in der Nähe ist. Immer sind es ihre Spiele, ihre Probleme. Und dann immer dieses Annie, lauf gefälligst nicht dauernd hinter mir her , sobald jemand Besseres um die Ecke kommt. Sie wusste, dass ich sie nicht anfahren wollte, machte aber trotzdem ein beleidigtes Gesicht, strich ihre (geglätteten) Haare zurück, mit so einer Bewegung, die sie für total erwachsen hält, und sagte: »Na ja, wenn du mir nicht mal zuhören

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