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Himmlische Wunder

Himmlische Wunder

Titel: Himmlische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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dann?«
    »Du weißt es ganz genau, Annie. Du hast es doch schon getan.«
    Ich dachte an den Vorfall in der Schlange an der Bushaltestelle, an Suze und ihre Haare und was ich da gesagt hatte.
    Das war nicht ich. Das habe nicht ich gemacht .
    Aber dann fiel mir Lansquenet ein und die Spiele, die wir dort gespielt haben. Rosettes Unfälle. Pantoufle. Ich dachte daran, was Zozie im Tea-Shop gemacht hatte, ich dachte an die Farben und an das Dorf an der Loire, mit der kleinen Schule und dem Kriegerdenkmal, mit den Sandbänken im Fluss und den Anglern, ich dachte an das Café mit dem netten alten Paar und an – wie hieß es noch mal?
    Les Laveuses , flüsterte die Schattenstimme in meinem Kopf.
    »Les Laveuses«, sagte ich.
    »Nanou, was ist los?«
    Mir war auf einmal ganz schwindelig. Ich setzte mich auf einen Stuhl, den Rosette und Nico bemalt hatten, sie mit ihren kleinen Händen und er mit seinen großen.
    Zozie musterte mich mit zusammengekniffenen Augen. Ihre Augen leuchteten ganz hell.
    »Es gibt keine Magie«, sagte ich.
    »Doch, gibt es, Nanou.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Du weißt es genau«, sagte sie.
    Und dann – nur einen Moment lang – wusste ich es. Es war aufregend,spannend – aber irgendwie war es auch beängstigend, wie wenn man an einer stürmischen Klippe einen schmalen Vorsprung entlanggeht, während unter einem der Ozean rauscht und tobt, und dazwischen ist nichts als der Abgrund.
    Ich schaute sie an. »Ich kann nicht.«
    »Warum nicht?«
    Ich schrie: »Es war ein Unfall!« Meine Augen brannten, mein Herz hämmerte, und dann die ganze Zeit der Wind, der Wind –
    »Okay, Nanou. Ist schon gut.« Sie nahm mich in die Arme, und ich schmiegte mein erhitztes Gesicht an ihre Schulter. »Du musst nichts tun, was du nicht tun willst. Ich kümmere mich um dich. Es wird cool.«
    Und es tat so gut, mich mit geschlossenen Augen an ihre Schulter zu kuscheln, eingehüllt von süßem Schokoladenduft, und eine Weile glaubte ich ihr wirklich – dass es cool wird, dass Chantal und Co. mich in Ruhe lassen und dass überhaupt nichts Schlimmes passieren kann, wenn Zozie da ist.
    Aber ich glaube, ich wusste, dass sie eines Tages auftauchen würden. Vielleicht hat Suze ihnen verraten, wo sie mich finden können – oder vielleicht habe ich es ihnen ja selbst erzählt, als ich noch gedacht habe, dann finde ich Freundinnen. Aber trotzdem war es ein Schock, als ich sie alle da stehen sah – sie hatten die Metro genommen und waren bestimmt die Butte hinaufgerannt, um vor mir da zu sein –
    »Hallo, Annie.« Das war Nico, der gerade wegging, in Begleitung von Alice. »Da drin ist schwer was los – ich glaube, es sind ein paar von deinen Schulfreundinnen –«
    Ich merkte, dass er ganz rot im Gesicht war. Er ist dick, klar, und wenn er sich zu viel bewegt, gerät er außer Atem, aber trotzdem wurde mir plötzlich ganz komisch, als ich ihn sah. Die Röte in seinen Farben und in seinem Gesicht sagte mir, dass etwas Schlimmes passieren würde.
    Am liebsten hätte ich kehrtgemacht und wäre geflohen. Es war sowieso ein blöder Tag: Jean-Loup musste in der Mittagspause heimgehen,wegen irgendeinem Arzttermin, glaube ich. Außerdem hatte Chantal ständig auf mir herumgehackt, hatte gegrinst wie bekloppt und gesagt: Na, wo ist dein Freund ?, und über Geld geredet und über die ganzen Geschenke, die sie zu Weihnachten bekommt.
    Garantiert war es ihre Idee. Jedenfalls war sie auch da und wartete auf mich. Sie waren alle mit von der Partie: Lucie, Danielle, Chantal und Sandrine. Sie saßen mit vier Colagläsern um den Tisch herum und kicherten wie die Irren.
    Ich musste hinein. Ich konnte mich nirgends verstecken, und außerdem – wer läuft schon davon? Ich murmelte leise Ich bin toll , aber ehrlich gesagt, ich fühlte mich alles andere als toll. Ich war müde, mein Mund war trocken, und mir war übel. Ich wollte mich vor den Fernseher hauen und mit Rosette irgendeine alberne Kindersendung gucken oder vielleicht ein Buch lesen.
    Als ich eintrat, sagte Chantal gerade mit lauter Stimme: »Hast du gesehen, wie der aussieht? Wie ein Lastwagen –«
    Sie tat ganz überrascht, als sie mich sah. Na, super.
    »Ooooh, Annie! Wo ist denn dein Schatz?«
    Die anderen gackerten begeistert.
    »Oooh, wie nett.«
    Ich zuckte die Achseln. »Wir sind befreundet.«
    Zozie saß hinter der Theke und tat so, als würde sie gar nicht zuhören. Sie warf nur einen kurzen Blick auf Chantal, dann schaute sie mich fragend an – Ist sie

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