Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben
und es dabei von Zeit zu Zeit zuzulassen, von mir geschubst zu werden...
Im Ernst. Erotische Lebenskunst heißt für mich: das Maß halten. Und zwar das Maß deiner eigenen Seele. Sie weiß genau, was wann in welcher Dosis dran ist. Und wenn zu manchen Phasen des Lebens nichts dran ist, weil andere Dinge (Kinder z.B.) wichtiger sind, dann ist das völlig okay. Apropros: Eigentlich sind unsere Kinder so ziemlich die besten Lehrer und Lehrerinnen in Sachen erotischer Lebenskunst. Denn wo, wenn nicht bei ihnen, lernen wir, was es heißt, unser Ego aufzugeben und uns dem Anspruch des Lebens auszuliefern – und die Racker dabei trotzdem (oder gerade deshalb) zu lieben...
Okay, das ist nun gerade nicht sehr entspannend, aber das war auch nicht der Punkt. Der Punkt ist: Du musst nicht neben den Kindern und dem Geschäft und dem Mann und all dem anderen anstrengenden Zeug auch noch Kurse in erotischer Lebenskunst belegen! Du musst nicht auf Retreats fahren und teures Geld dafür investieren! Du musst dir auch keinen Guru oder Lehrer suchen! Nicht mal eine Klangschale und Räucherstäbchen brauchst du. Denn das Leben besorgt die Sache ganz von allein. Wenn du nur darauf vertraust und es wirklich, wirklich an dich herankommen lässt. Deshalb gönnt dein Mann sich zuzeiten den Luxus, dich freundlich, aber bestimmt daran zu erinnern.
Und dafür ist es vielleicht nicht ganz blöd (das sage ausgerechnet ich), dann doch eine schöne alte religiöse Tradition aufzugreifen. Das dritte Gebot (oder auch vierte, je nachdem, wie man zählt): Du sollst den Feiertag heiligen; Sabbat halten. Einen Ruhetag einlegen, der der Pflege der Seele, dem Ausstieg aus der Oberflächendynamik des Ich, dem Nutzlosen, Schönen dient – dem Leben
con amore
. Klar wurde mir das neulich bei einem Seminar über jüdische Spiritualität. Mein Freund Daniel Kempin hat mir zu dieser Einsicht verholfen: Ein Tag in der Woche im Zeichen der Liebe.
Ich glaube, das wäre eine gute Sache – für uns alle, die wir von Termin zu Termin hetzen: sich eine bewusste Auszeit gönnen, in der wir uns darin üben, das Leben so zu nehmen, wie es ist – mit wachem Blick und intensiver Zuwendung durch die Welt zu gehen. Nicht wie sonst, mit dem rationalen, analytischen Blick, der bei allem fragt, was es ihm nützt; sondern mit den Augen des Herzens, das das Leben gutheißen und deswegen auch gut sein lassen kann. Und meine Erfahrung ist, dass immer dann, wenn uns das gelingt, das Leben glatter läuft. Alles fällt mir leichter, wenn ich aus dem Herzen heraus agiere. Dann wird das Leben zum Fest. Denn den Festtag unterscheidet ja gerade vom Alltag, dass er nicht anstrengend ist, sondern uns beflügelt und befreit.
Zu dieser feierlichen Stimmung gehört auch, dass wir es uns gestatten, das zu tun oder zu konsumieren, was uns Freude bereitet, was unsleicht eingeht. Beispiel Kino: Ich finde es großartig, dass du dich nicht scheust, offen zu bekennen, am liebsten englische Komödien oder Jane- Austen-Verfilmungen anzuschauen. Erst habe ich darüber gespöttelt. Inzwischen weiß ich, wie recht du damit hast. Und wie gut es mir und dir tut, sechs Abende in Folge die BBC-Verfilmung von „Stolz und Vorurteil“ anzuschauen. Warum? Weil dort nicht die Schwere und Düsternis des Lebens aufgeführt wird, sondern die Schönheit und Tiefe der Liebe; weil wir dort in eine heitere, optimistische Grundstimmung versetzt werden, die uns beseelt und ins Herz führt. Nicht viel anders ist es übrigens auch mit der Pop-Musik: Ein guter Song trifft möglicherweise mitten ins Herz – viel schneller, als das die sogenannte anspruchsvolle Literatur und Musik zu leisten vermag.
Der Schamane Galsan Tschinag aus der Mongolei hat einmal erklärt, dass nach seinem Verständnis die eigentliche Aufgabe eines Schamanen – gerade auch in seiner Funktion als Heiler – darin liegt, den Menschen den Ernst zu nehmen und sie in Heiterkeit zu versetzen; ja sie zum Lachen zu bringen. Gerade uns Westlern, meint er, falle das besonders schwer. Uns fehle der Humor, mit dem die Verkrustungen unserer Vorstellungen, Meinungen und Positionen – auch die Fixierungen unserer Gefühle – aufgebrochen werden können. Es würde uns guttun, wenn wir wieder in unseren natürlichen Fluss und die Gegenwärtigkeit des Lebens fänden. Etwas Ähnliches meint auch Angaangaq, wenn er davon spricht, dass es für uns Menschen des Westens notwendig ist, das Eis in unseren Herzen zu schmelzen, damit wir zu der Weisheit finden,
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